Restaurant Bostich in Wilmersdorf: Wo Berlin zur Weltstadt wird

Diese Stadt ist voll humorloser Fine-Dining-Restaurants. Dabei wollen wir nur Freude und eine tolle Zeit: Das Bistro Bostich ist so, wie Berlin sein sollte.

Das Bostich in Berlin-Wilmersdorf ist eines der schönsten Restaurants Berlins.
Das Bostich in Berlin-Wilmersdorf ist eines der schönsten Restaurants Berlins.Valentin Cheli

Das heutige Berlin eifert ja dem großen Berlin der 1920er-Jahre hinterher. Dem legendären Berlin, das kulturell und stilmäßig eine Weltmetropole war. Im Berlin dieser Zeit gab es legendäre Restaurants und Clubs, in denen man nicht nur alle Spezialitäten dieser Welt auf dem Teller bekam, sondern die zugleich Wohnzimmer, Bar und Nachtclub waren.

Weltkrieg und geteilte Hauptstadt sorgten für ihr Übriges. Lange Zeit konnte man nirgends in Berlin gut essen. Das Borchardt war nie mehr annähernd so gut wie zu Kaisers Zeiten. Und als Kompromiss ging man halt ins Grill Royal (immer noch gut!). Heute ist Berlin wieder spannender für Gourmets. Aber Vorsicht!

Auf der Terrasse fühlt man sich wie in Paris: Zum Apéro startet man am besten mit Austern und Shrimp-Cocktail.
Auf der Terrasse fühlt man sich wie in Paris: Zum Apéro startet man am besten mit Austern und Shrimp-Cocktail.Valentin Cheli

Endlich wieder ein lebensbejahendes Restaurant

Berlin hat zu viele überteuerte Fine-Dining-Tempel für Immobilienentwickler und minimalistische Weinbars für Hipster aus Neukölln, in denen es Rote Bete, Grünkohl und irgendwelche Mondschein-Mohrrüben gibt. Alles hyperlokal natürlich und doch von einer unglaublich spießigen Langeweile, die einer Metropole wie Berlin nicht gerecht wird.

Wie gut, dass es mit dem Bistro Bostich in der Ludwigkirchstraße in Wilmersdorf mal ein neues Lokal in Berlin gibt, das nicht nur schmeckt wie eine Weltstadt, sondern in dem man sich, ganz gleich wer man ist und wo man herkommt, selbstverständlich so fühlt, als wäre man in Paris und New York aufgewachsen und pendelte jede Woche zwischen den Metropolen. 

Wunderbar abgestimmte antike Einrichtung, und auf dem kleinen Gaskocher wird im Kupfertopf frisch am Tisch Zürcher Geschnetzeltes zubereitet.
Wunderbar abgestimmte antike Einrichtung, und auf dem kleinen Gaskocher wird im Kupfertopf frisch am Tisch Zürcher Geschnetzeltes zubereitet.Valentin Cheli

Kein Restaurant ist geschmackvoller eingerichtet

Das Bostich - direkt neben dem Manzini - fügt sich in das Viertel ein, als gehörte es schon seit 100 Jahren hierher. Der Grund: Die Wirtsleute Yllnora Semsedini und Simon Bühler, die auch die Torbar in Mitte zu einem Gastro-Diamanten gemacht haben. Bühler etwa sucht seit Jahren die richtigen Möbel und Gegenstände für das neue Restaurant auf Antiquitätenmärkten in Frankreich und kauft Hotelsilber und Geschirr alter Grand Hotels auf.

Und so ist das Bostich das stilvollste, eleganteste und dabei doch entspannt eingerichtete Restaurant in Berlin. Auf den uralten roten Bistro-Korbstühlen auf der Terrasse fühlt man sich mit einem Dutzend Fines-de-Claire-Austern (48 Euro), einer buttrigen Lobster Roll (28 Euro) und einem exzellenten Shrimp-Cocktail (18 Euro, wieder im Kommen!) wie im Paris der Belle Époque.

Und die Details machen die Musik: Die Teller sind mit Palmenlogo versehen, und die Frischetücher, die einen Hauch von Sizilien und Amore Frizzante versprühen, werden in einem alten Kästchen aus Sterlingsilber gereicht. Der leicht hefige Haus-Champagner (68 Euro pro Flasche) ruht entspannt in einem echten 100 Jahre alten Art-déco-Sektkühler. Trotz der Mühe, die hier im Detail steckt, ist der Service freundlich und total entspannt.

Und nach dem Essen trinkt man an der langen Zink-Bar noch einen Cocktail.
Und nach dem Essen trinkt man an der langen Zink-Bar noch einen Cocktail.Valentin Cheli

Man fühlt sich nicht wie in Berlin, sondern wie in Paris oder New York

Und das färbt auf die Gäste ab, die sich hier auch wie zu Hause fühlen und ausgelassen mit den anderen Tischen plaudern, so als gäbe es die Berliner Unfreundlichkeit gar nicht. Man fragt sich hier sowieso, ob man das deutsche Konzept Bierkiste alleine zu Hause vor dem Fernseher austrinken nicht verbieten sollte.

Also machen wir es doch zumindest im Bostich, wie unsere Großväter im Berlin der 1920er. Putzen wir uns heraus, rufen unsere Freunde an und gehen ins Bostich. Es muss kein Smoking sein, aber es kann, wie der alte Herr am Nebentisch, ein schöner Anzug sein, oder ein Prada Bucket Hat. Nur ein bisschen Mühe müssen Sie sich schon geben. Das Bostich hat es verdient.

Und wenn Sie beim Apéro draußen schon in Stimmung sind, dann geht’s zum Hauptgang rein. Wir verlassen Paris und sind jetzt im quierligen New Yorker Nachtleben. Antike weiße Kacheln, gedämpftes Licht, eine lange Bar aus echtem Zink, hellgrüne Holzverschalung, alte Spiegel, Messing-Raumtrenner, eine riesige echte Seafood-Stuckverzierung mit Hummern und Austern sowie ein massiger Kronleuchter lassen einen in die legendären Kneipen von Manhattan reisen.

Pâté en Croûte mit Feigensenf,
Spargelcarpacchio mit Sauce Gribiche, Lobster mit Hummer Bisque und Radieschen.
Pâté en Croûte mit Feigensenf,Spargelcarpacchio mit Sauce Gribiche, Lobster mit Hummer Bisque und Radieschen.Valentin Cheli

Auf der Toilette hängt ein echter Picasso

Für die Einrichtung mussten Bühler und Semsedini in ganz Norddeutschland auf die Suche nach den passenden Handwerkern gehen, die Stuckarbeiten und alte Materialien überhaupt noch handhaben können. Wer genau hinsieht, der entdeckt auch den echten Picasso. Im Bostich hängt er auf dem WC. So humorvoll geht elegante Lässigkeit.

Aber nun zum Abendessen: Man sitzt auf rotem Leder, weiße Tischdecke und Stoffserviette ist selbstverständlich. Zu essen gibt es lebensbejahende Bistro-Klassiker ohne Schnickschnack. Geschmacklich einwandfrei und ohne nervige Gels und Schaumsößchen.

Als Vorspeise sind besonders zu empfehlen: Das weiße Spargelcarpaccio mit einer Sauce Gribiche aus gehackten Eiern, Kapern und Estragon, die selbstgemachte Terrine, die Pâté en Croûte mit Feigensenf und vor allem der luftgetrocknete Noir-de-Bigorre-Schinken aus Frankreich (je 18,50 Euro).

Täglich frische Meeresfrüchte, Hummer und Austern.
Täglich frische Meeresfrüchte, Hummer und Austern.Valentin Cheli

Einfache Bistro-Klassiker, was will man mehr fürs Glück

Letzterer ist von so guter Qualität, dass das Bostich mit diesem Gericht nichts verdient. Er reicht den Einkaufspreis lediglich an den Gast weiter. Daneben gibt es noch andere Bar-Klassiker, Rindertartar (18 Euro), saisonale Salate und vegetarische Vorspeisen.

Als Hauptgerichte bereitet die französische Köchin Sarah Fillet neben vegetarischen Klassikern vor allem bestes grasgefüttertes argentinisches Rindfleisch von der Farm des Yello-Sängers und Bostich-Gesellschafters Dieter Meier zu. Es gibt perfekt gebratenes Entrecôte mit Café-de-Paris-Soße (34 Euro), Roastbeef oder Filet Mignon (je 28 Euro), dazu klassische Soßen und verschiedene grüne Beilagen. Besonders zu empfehlen ist der legendäre Kartoffelbrei nach Art von Joël Robuchon – mit ganz viel Butter.

Endlich Weltmetropole: Exzellente Zutaten und Bistro-Klassiker sorgen für urbanen Flair in Berlin.
Endlich Weltmetropole: Exzellente Zutaten und Bistro-Klassiker sorgen für urbanen Flair in Berlin.Valentin Cheli

Probieren Sie unbedingt das Zürcher Geschnetzelte

Tipp: Sie müssen das original Zürcher Kalbsgeschnetzelte (34 Euro) mit frischem Rösti bestellen. Das Gericht ist eine Hommage an die Schweizer Heimat des Wirts und wird wie in der legendären Kronenhalle in Zürich direkt am Tisch in einem Kupfertopf zubereitet. Dazu trinkt man schweren Malbec aus Argentinien oder einen schönen Pouilly-Fuissé. Bestellt noch Berlins schönsten Käseteller, und die Welt ist in Ordnung. Nirgendwo kann man in Berlin derzeit besser ausgehen als im Bostich.

Und wo kommt der Name Bostich eigentlich her? Es ist das Schweizer Wort für einen Tacker, mit dem man etwa Steuerbescheide zusammenheften kann. Bosti(t)ch war die erste Firma, die in den USA ein solches Gerät auf den Markt brachte. Und Bostich ist auch der Name eines Yello-Songs. Er beschreibt das monotone Arbeiten in einer Fabrik.

Für Bühler soll der Name die Gäste daran erinnern, dass man bei ihm im Laden wirklich abschalten kann. Etwa von den irdischen Problemen der Arbeitswelt. Am besten heftet man sich im Bostich mit seinen Freunden zusammen, und hat einfach einen wunderbaren Abend.


Wertung: 5 von 5 Punkten

Bostich, Ludwigkirchstraße 10A, 10719 Berlin, geöffnet Mo–Sa 16–0 Uhr, unbedingt reservieren!