Wohin zum Essen am Potsdamer Platz? Manifesto muss es sein!

Die Potsdamer Platz Arkaden erfinden sich neu, nun heißen sie The Playce. Auch das Gastro-Angebot bekommt frischen Wind mit dem größten Food-Hub Europas.

Der größte Food Hub Kontinentaleuropas: Manifesto am Potsdamer Platz.
Der größte Food Hub Kontinentaleuropas: Manifesto am Potsdamer Platz.André Baschlakow

Berlin ist die Hauptstadt der Shoppingcenter – rund 70 gibt es in dieser Stadt. Lange haben sie sich gegenseitig kannibalisiert. Auch deshalb gleicht der Zustand vieler Shoppingmalls dem von Unfallpatienten auf der Intensivstation. Mit allen Mitteln sollen sie am Leben gehalten werden. Doch ob das glücken wird, ist nicht ganz klar.

Ob Mall of Berlin, Plaza, Europa-Center, Bikini – überall ist viel Geld reingeflossen. Trotzdem gibt es jede Menge Leerstand. Und was das Essensangebot angeht, tja, was soll ich da sagen: Dean & David, Ditsch oder doch lieber Dunkin’? In Bezug auf Berlins Shoppingcenter ist Kulinarik ein großes Wort.

Interessanterweise scheinen sich gerade die ambitioniertesten unter ihnen am schwersten zu tun. Das Bikini hat trotz aller Anstrengungen nie so richtig abgehoben. Leider. Und in der anfangs gut gehenden Mall of Berlin war ich kürzlich überrascht, wie viele Läden leer stehen. Das Alexa dagegen, für mich ohne Zweifel das hässlichste unter Berlins Einkaufszentren, wird verhältnismäßig gut besucht. Erklär mir das bitte mal einer. Selbst der wirklich, entschuldigen Sie das drastische Wort, dreckige Fast-Food-Court voller Ketten findet dort Liebhaber. Bei meinem letzten Besuch gab es keinen freien Tisch, der nicht mit Essensresten verschmiert war. Am Ende war die Espressobar im Mediamarkt die beste Wahl.

Eigentlich meide ich Shoppingmalls. Eigentlich ...

All das hat bei mir dazu geführt, dass ich Shoppingmalls meide. Besonders meide ich sie, wenn ich hungrig bin. Nie, wirklich nie, ist mir bisher in den Sinn gekommen, ein Einkaufszentrum wegen seines Essensangebotes aufzusuchen.

Genau das will The Playce nun ändern, wie die Potsdamer Platz Arkaden seit kurzem heißen. Neben ein paar nicht wirklich neuen Flagship-Stores ist hier, ich zitiere, „auf 4400 Quadratmetern der größte Food Hub Kontinentaleuropas“ entstanden, mit „22 hochwertigen Cuisines von Europa, dem Mittleren Osten, Lateinamerika bis Südostasien“, die ein „umfangreiches Kultur- und Unterhaltungsprogramm“ anbieten.

Nudelsuppen, Teigtaschen, Edamame: das Angebot bei Daruma Ramen im Manifesto Market.
Nudelsuppen, Teigtaschen, Edamame: das Angebot bei Daruma Ramen im Manifesto Market.Max Power

Beim Lesen dieser Pressemitteilung blieb ich skeptisch, ob sich meine Einstellung gegenüber dem kulinarischen Angebot in Einkaufszentren wirklich ändern würde.

Umso überraschender war mein erster Eindruck vor Ort. Statt von „Food Hub“ oder „Court“ sprachen die Veranstalter bei der Eröffnung lieber von einem Markt – dem Manifesto Market.

Das Konzept kommt aus Tschechien, genauer aus Prag, und hat dort seit 2018 laut seiner Initiatoren Martin Barry und seiner Partnerin Hollie Lin ganze Viertel gedreht. Selbstbewusst wie Amerikaner sind, erzählt Barry, Gründer, CEO sowie ursprünglich Landschaftsarchitekt, man habe in Prag No-go-Areas, in die sich vormals kein normaler Bürger mehr traute, mit Manifesto-Märkten wiederbelebt. Die Idee – Barry verwendet lieber das Wort Mission – sei ganz einfach: ungenutzte, zum Teil heruntergekommene Orte mit individuell gestalteten Restaurants, echten Menschen und kulturellen Veranstaltungen in lebendige Orte zu verwandeln. Dasselbe habe man nun in Berlin vor.

Selbstbewusst: Initiator und Gründer Martin Barry.
Selbstbewusst: Initiator und Gründer Martin Barry.Max Power

Mag sein, dass wir hier unter No-go-Area ein bisschen was anderes verstehen als die Prager. Aber von den Potsdamer Platz Arkaden als No-go-Area zu sprechen, war frech. Worin ich Martin Barry jedoch recht geben muss: Wenn auch nicht aus Angst, doch freiwillig setzte zuletzt keiner mehr einen Fuß in dieses Shoppingcenter.

The Playce to be? Die Restaurantkonzepte stimmen schon mal

Das hat sich geändert. An einem Dienstagmittag, meinem zweiten Besuch nach der Eröffnung, ist der Manifesto Market angesichts der noch weitgehend im Umbau befindlichen Mall verdammt gut besucht. Was auch stimmt: Die Macher haben sich bemüht, interessante Restaurantkonzepte herauszufiltern. Rund 800 Bewerber habe man gesichtet, hatte Barry gesagt. Ketten seien von vornherein rausgeflogen, was bis auf ein, zwei Ausnahmen, wie etwa die Wiener Kette Fat Monk mit ihren Bowls, zutrifft.

Um auch die Berliner Foodszene zu berücksichtigen, hat man auf die Expertise des stadtbekannten Foodbloggers Per Meurling zurückgegriffen. Unter den 22 Restaurants auf zwei Etagen ist unsere Stadt gut vertreten, etwa durch einen Stand der Köchin Malakeh Jazmati, deren Malakeh-Lokal unweit von hier als der zeitgenössische Standard für syrische Küche in Berlin gilt. Hier spezialisiert sie sich auf Fatteh: frittierte Brotchips, die je nach Wunsch mit Hummus, gebratenen Auberginen, Hühnchen sowie viel Ghee, Nüssen und Tahini-Joghurt gegessen werden.

Auch die Berliner Foodszene ist gut vertreten, unter anderem durch Shaniu’s House of Noodles.
Auch die Berliner Foodszene ist gut vertreten, unter anderem durch Shaniu’s House of Noodles.Max Power

Im oberen Stockwerk entdecke ich Shaniu’s House of Noodles. Deren Wilmersdorfer Restaurant hat diese Zeitung für das beste Chinalokal der Stadt befunden. Bei Manifesto locken sie unter anderem mit ihrem wunderbaren Signature Dish: hausgemachte dünne Nudeln, erkaltet in einer Erdnuss-Sesam-Chili-Soße gezogen und mit scharfem Schweinehack kombiniert.

Doch Gäste wie ich sollten erstmal eine grundsätzliche Entscheidung treffen: Zwischen der unteren Etage, wo sich Europa, der Nahe Osten und Südamerika versammeln. Und oben, wo viele asiatische Küchen ansässig sind. Verbunden sind die Stockwerke durch eine riesige Freitreppe, deren breite Stufen gleichzeitig mit Polstern ausgestattete Sitzplätze sind.

Hier lasse ich mich nach meinen ersten Bestellungen und ausgestattet mit mehreren elektronischen Pagern nieder. Man muss wissen: Die Zubereitung jedes Gerichts dauert; nicht ganz so lang wie im Restaurant, aber schon länger als bei klassischem Fast Food. Dafür bekommt man es auf Porzellantellern im Mehrwegsystem ausgehändigt. Ach ja, und bezahlen kann man nur bargeldlos mit Karte.

Als erstes piept der Pager von Apló, dem erfrischend anderen Griechen, den es auch auf der Torstraße gibt. Seine Zucchini Fritters machen mich süchtig. Klein geschnitztes Gemüse, als Puffer im Teigmantel frittiert, mit vielen Kräutern und cremig schmelzendem Feta darin. Diese tunkt man in Tsa­t­si­ki, das seinesgleichen sucht. Ich bilde mir ein, hier schmecken die Fritters sogar noch fettiger, heißer und frischer als im Lokal. Schon piept mein Empanada von El Bodegón, eine Entdeckung aus dem Mauerpark. Vom Foodtruck haben sie es hierher geschafft. Ich weiß nicht, was besser ist: die Teighülle der Empanada oder die herzhafte Füllung aus ausgelöstem Hühnerfleisch sowie Mais, Paprika und Béchamel. Hier schmeckt man echte Handarbeit.

Wenn der Pager vibriert, ist das Essen fertig. Die Auswahl ist in jedem Fall groß.
Wenn der Pager vibriert, ist das Essen fertig. Die Auswahl ist in jedem Fall groß.Manifesto

Gleich daneben befindet sich Alebrijes, ein Mexikaner, der bereits in Prags Manifesto-Märkten vertreten ist. Auch hier überzeugen mich die Qualität und die Liebe zum Detail: In meinen Tacos ist hochwertiges Rindfleisch, das am Stück gegrillt und dann erst geschnitten wird. Die Kräuter sind keine bloße Deko, sondern haben Geschmack.

Inzwischen habe ich tatsächlich vergessen, dass ich in einer Mall esse. Eigentlich wollte ich mir von oben bei Chi Kin noch das koreanisch frittierte Huhn in Sweet-Chili-Soße holen. Beim nächsten Mal, denn ab sofort gehe ich auch hungrig in diese Shopping Mall.


Preise: Je nach genanntem Stand für Vorspeisen zwischen 4-12 Euro, Hauptgerichte 9-16 Euro

Manifesto Market in „The Playce“, Alte Potsdamer Str. 7, 10785 Berlin, Täglich 11–23 Uhr, Fr und Sa 11–00 Uhr, www.manifestomarket.com/berlin/potsdamer-platz/de