Gelungene Familienunterhaltung: "Krabat", der neue Film von Marco Kreuzpaintner: Müllers Lüste

Der Winter ist kalt, und es herrscht ein Krieg, der dreißig Jahre währen wird, bis 1648. Die Mutter ist an der Pest gestorben. Da hat ein mittelloser Junge wie Krabat nicht groß die Wahl, und so folgt er bereitwillig der geheimnisvollen Stimme, die ihn zur abgelegenen Mühle Koselbruch ruft. Krabat verlässt seine Freunde, mit denen er bettelnd durch die Lande strich, um über kahle Höhen zum Ort der Verheißung zu ziehen.Herr der Mühle ist der Meister. Er bietet Obdach, Brot und Wärme, Sicherheit, gar eine Ausbildung nicht nur "im Müllern, auch in allem anderen". Doch das alles ist an eine Bedingung geknüpft: Wer sich unter die Fittiche des Meisters begibt, ist ihm zu unbedingtem Gehorsam verpflichtet und hat vielleicht bald einen hohen Preis zu bezahlen. Denn auf der schwarzen Mühle Koselbruch ruht ein Fluch, der Meister ist der Schwarzen Magie verfallen - das ist das "andere". So lehrt er seine zwölf Burschen, sich in Raben zu verwandeln, auf dass sie sich fliegend über die Welt erheben können. Jeden Neumond kommt ein Fuhrmann mit grausiger Fracht, dann werden menschliche Schädel und Gebeine klein gemahlen. Einmal im Jahr sucht sich der Tod einen der Burschen aus; da erhebt sich dann des Nachts ein grausiges Jaulen, Jammern und Kreischen, und bald darauf wirkt der Meister unerklärlich verjüngt.Diese Geschichte erzählt der Schriftsteller Otfried Preußler in seinem Roman "Krabat", der auf eine alte sorbische Sage zurückgeht. Literarisch aufgegriffen wurde sie schon öfter, und die märchenhaften Elemente des Stoffs verlangen geradezu nach Kinobildern. 1975 verfilmte der DDR-Regisseur Celino Bleiweiß Jurij Brezans "Krabat"-Roman für die Defa, und 1977 adaptierte der tschechische Animationspionier Karel Zeman Preußlers Roman als Trickfilm. Otfried Preußlers "Krabat"-Version erschien 1971; sie ist ein Bestseller, wurde in mehr als 30 Sprachen übersetzt und hat sich weltweit über 2,1 Millionen mal verkauft. Der junge deutsche Regisseur Marco Kreuzpaintner hat Preußlers "Krabat" nun als Realfilm gestaltet.Und wie er das getan hat, das ist durchaus sehenswert. Kreuzpaintner galt mit seinem zweiten Spielfilm "Sommersturm" als großes Talent, und seit seinem Mädchenhandelsdrama "Trade - Willkommen in Amerika" gilt er auch als eine der internationalen Hoffnungen unter den deutschen Regisseuren. Alles, was dem deutschen Film im Vergleich mit Hollywood sonst als Unvermögen angelastet wird, ist im Fall von Kreuzpaintners "Krabat" gelungen: Die Computereffekte sind gut ausgeführt und sinnvoll eingesetzt, vor allem in den Wandlungsszenen - die Erzählung gewinnt hier eine überraschende Intimität und Transzendenz, wo man es auch hätte angeberisch krachen lassen können. Aber nein. Und das ist schon eine interessante Entscheidung, denn immerhin wurde dem Pressematerial zufolge jede fünfte Einstellung des Films computerbearbeitet. Das Budget war mit gut zehn Millionen Euro nicht gerade klein, für die Verhältnisse des Fantasy-Genres aber auch nicht überwältigend hoch. Gedreht wurde übrigens in den rumänischen Karpaten.Im Fantasy-Gewand und metaphorischen Sinne handelt Preußlers "Krabat" von totalitären Systemen, vom Preis der Macht, von der Macht der Verführung und jener der Liebe, durch die allein der Flucht gebrochen werden kann. Der Regisseur ist mit dem Buch groß geworden; er vermeidet nun tunlichst den Fehler, eine ohnehin hochdramatische Geschichte überbieten zu wollen, etwa durch Heldenpathos. Nein, Kreuzpaintner konzentriert sich vielmehr auf die Coming-of-Age-Aspekte: auf die Beziehungen zwischen den Burschen in der Mühle, ihre Freundschaften und Rivalitäten - das liegt ihm, das machte schon "Sommersturm" bemerkenswert. Er lenkt die Aufmerksamkeit auf die Katastrophe des vorzeitigen und gewaltsamen Todes, wie er etwa Krabats Freund Tonda ereilt, und auf die zaghafte Öffnung zur Welt hin, die erfolgt, wenn sich einer der Jungen in ein Mädchen aus dem Dorf verliebt. Genau diese Öffnung der Gemeinschaft nach außen aber will der Meister um jeden Preis unterbinden. Als sich Krabat in die hübsche Kantorka verguckt, geht er sogar soweit, dem Jungen seine eigene Nachfolge anzubieten.Das Glück dieses Films ist die Vision, die sein Regisseur ganz offensichtlich hatte: mit den Bildern über die materielle Wirklichkeit des Kinomachens hinaus zu verweisen und die Aussage des Films eben nicht von der Rechnerleistung bestimmen zu lassen. Kenner der Buchvorlage werden nicht jeden Handlungsstrang ausgeführt sehen, aber es gibt eigentlich keinen Grund, deswegen unzufrieden zu sein. Denn die Sorgfalt des Regisseurs gegenüber Preußlers Roman drückt sich ja auf vielen Ebenen aus.So wurden die Schauspieler offenbar sensibel angeleitet: Christian Redl übertreibt als Meister nicht unnötig das Dämonische der Figur, und David Kross geht Krabats steinigen Weg zur Erkenntnis behutsam. Daniel Brühl sekundiert ihm als Tonda mit unaufdringlicher Reife, und Robert Stadlober hat als Lyschko den Exzentriker zu Hause gelassen. So kann man diesen neuen "Krabat"-Film reinen Gewissens als gute Familienunterhaltung mit Anspruch empfehlen. Sie wäre perfekt - wenn, ja wenn es denn nicht diesen schrecklich klebrigen Soundtrack geben würde.------------------------------KrabatDtl. 2008. 120 Minuten, Farbe. FSK ab 12.Regie: Marco KreuzpaintnerDrehbuch: Michael Gutmann, Marco Kreuzpaintner, nach der Buchvorlage von Otfried PreußlerKamera: Daniel GottschalkDarsteller: David Kross, Daniel Brühl, Christian Redl, Robert Stadlober, Paula Kalenberg, Anna Thalbach, Hanno Koffler u. a.Ab morgen im Kino.------------------------------Foto : Fordert unbedingten Gehorsam von seinen Schülern: der Meister von Koselbruch (Christian Redl).