Affenpocken: Aidshilfe kritisiert späten Start der Impfungen in Berlin

Der CSD steht vor der Tür, doch in Berlin startet jetzt erst die Impfkampagne gegen Affenpocken. Das sorgt für Unmut: Es handele sich nicht mehr um Einzelfälle.

Christopher Street Day Anfang Juli in Köln. Der CSD in Berlin findet am 23. Juli statt.
Christopher Street Day Anfang Juli in Köln. Der CSD in Berlin findet am 23. Juli statt.dpa/Becker

Die Deutsche Aidshilfe kritisiert den späten Start der Schutzimpfungen gegen Affenpocken in Berlin. „Das hätte viel schneller gehen müssen“, sagte Sprecher Holger Wicht der Berliner Zeitung. „Man hätte die Ausbreitung des Virus stärker abbremsen können.“ Am Mittwoch beginnen die Impfungen im Gesundheitsamt Mitte, teilte die Senatsverwaltung für Gesundheit auf Anfrage mit. Eingebunden werden zudem HIV-Schwerpunktpraxen, die Spezialambulanzen der Charité, das Auguste-Viktoria-Klinikum, das St.-Joseph-Krankenhaus und der Checkpoint BLN in Neukölln.

Die ersten Dosen des Vakzins hatte Berlin im Juni erhalten, sie lagern seither bei der Charité. Bürokratische Hürden sollen das Verfahren verschleppt haben. Unter anderem ließ ein Vertrag mit der Kassenärztlichen Vereinigung auf sich warten. Die Verzögerung sei inakzeptabel, sagte Wicht: „Bei Covid-19 haben wir gesehen, wie schnell sich dringliche Maßnahmen umsetzen lassen. Wahrscheinlich lag es daran, dass von Covid die gesamte Bevölkerung betroffen ist. Man kann schon die Frage stellen, ob bei den Affenpocken die Dringlichkeit als nicht so hoch eingestuft wurde, weil es ‚nur‘ um eine bestimmte Gruppe der Bevölkerung ging, nämlich schwule Männer.“

Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts von Montag wurden in Deutschland 1556 Fälle von Affenpocken gemeldet, darunter befanden sich lediglich zwei Frauen. Kinder sind bisher nicht betroffen. Weit mehr als die Hälfte der Infektionen werden aus Berlin gemeldet. „Das Bewusstsein für die Risiken der Erkrankung ist in der Community groß“, sagt Aidshilfe-Sprecher Holger Wicht. „Viele haben Angst und reduzieren ihre Kontakte. Groß ist auch die Angst vor Stigmatisierung, vor Schuldzuweisungen.“

Die Aidshilfe nutzt zur Aufklärung über Affenpocken die Kampagne „Ich weiß, was ich tu“, mit der sie bereits über HIV informiert. „Wir bringen Plakate und Flyer in die Szene“, so Wicht. „Die Informationen werden immer wieder auf den neuesten Stand gebracht. Das Wissen über den Erreger wächst ja ständig.“ Das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) starte ebenfalls eine Aufklärungskampagne, teilte eine Sprecherin der Gesundheitsverwaltung mit. Inhaltlich arbeite man eng mit verschiedenen Akteuren zusammen, unter anderen mit der Schwulenberatung.

Aidshilfe: Aufklärung über Affenpocken vor CSD wichtig

„Es gibt bei allen übertragbaren Erkrankungen drei wesentliche Faktoren, die die Chance einer Ansteckung beeinflussen“, sagt der Epidemiologe Axel J. Schmidt, bei der Aidshilfe Referent Medizin und Gesundheitspolitik: „Die Enge des Kontakts, die Dauer des Kontakts und die Infektiosität des Erregers“. Das bedeute: „Bei einer Stunde Kuscheln oder Sex und entsprechendem Kontakt mit den ‚Pocken‘ des Partners, die große Mengen an Virus enthalten, ist das Risiko einer Infektion hoch, bei einer flüchtigen Umarmung dagegen eher niedrig.“

Der Informationsbedarf könnte in diesem Monat steigen, dem Pride Month mit mehr als 70 Events allein in Berlin. „Bei Veranstaltungen wie dem CSD und den Festivals ist es wichtig, dass die Menschen wissen, wie Affenpocken übertragen werden können“, betonte Wicht. „Es muss auch klar sein: Es handelt sich nicht mehr um Einzelfälle. Jeden Tag kommt eine relativ große Zahl an Neuerkrankungen dazu, gerade in Berlin.“ Jeder müsse für sich persönlich klären, wie er mit dem Risiko umgehen wolle. „Unsere Botschaft lautet deshalb: Informiert euch! Und lasst euch, wenn ihr Risiken habt, impfen, sobald das möglich ist.“