Buschfeuer in Australien: Brennende Biotope: Diese Tierarten stehen kurz vor ihrer Auslöschung
Bei den verheerenden Bränden in Australien sind schätzungsweise eine Milliarde Tiere umgekommen. Viele ohnehin schon seltene Arten rücken dadurch noch näher ans Aussterben.
Anne Brünning (Text), Isabella Galanty (Grafik), 27.1.2020 - 12:15 Uhr
Die Waldbrände in Australien haben den Lebensraum von vielen seltenen Tierarten vernichtet. Ob sich die Bestände erholen, ist eher fraglich.
Foto: dpa
Berlin - In den vergangenen Tagen hat David Lindenmayer seine Frau kaum zu Gesicht bekommen. Die auf Wildtiere spezialisierte Veterinärmedizinerin war unterwegs in den von Buschfeuern betroffenen Gebieten im Südwesten Australiens. Dort musste sie etwas tun, was wohl zu den schlimmsten Tätigkeiten ihres Berufs gehört: „Sie hat verletzte Tiere eingeschläfert“, berichtet Lindenmayer, der als Landschaftsökologe und Naturschutzbiologe die seit Monaten in Flammen aufgehende Natur im Südwesten seines Landes auch selbst genau im Blick hat. „Es ist entsetzlich“, berichtet Lindenmayer, der am Centre for Resource and Environmental Studies der Australian National University in Canberra als Professor tätig ist. „So viele Tiere wurden durch die Brände schwer verletzt oder kamen dabei um.“
Am Montag veröffentlichte das australische Umweltministerium eine vorläufige Einschätzung der Folgen für die Tier- und Pflanzenwelt. Demnach sind von den Buschfeuern die Lebensräume von mehr als 300 bedrohten Tier- und Pflanzenarten betroffen. Bei 191 Arten sei mindestens ein Drittel des insgesamt besiedelten Lebensraums in Mitleidenschaft gezogen worden. Bei 49 davon sogar mehr als 80 Prozent.
Zehn Arten, die von den Buschfeuern besonders bedroht sind
Bildstrecke
Känguru-Insel-Schmalfußbeutelmaus: Sminthopsis aitkeni heißt diese Beuteltierart in der Fachsprache, auf Englisch Kangaroo Island Dunnart. Das Leichtgewicht – die Tierchen wiegen nur 20 bis 25 Gramm – bewohnt Wald- und Heidegebiete auf der Känguru-Insel vor der Südküste Australiens. Anderswo kommt die Art nicht vor. Vermutlich ernährt sie sich von Insekten und anderen Kleintieren. Die Buschbrände haben 80 Prozent ihres Lebensraums zerstört. Die Känguru-Insel galt bisher als eine Art Arche Noah für seltene Arten. Sie wurden von den Bränden besonders stark zerstört.
Foto: Government of South Australia
Hastings River Mouse: Die kleinen Nager (Pseudomys oralis) kommen in Queensland und Neusüdwales vor. Allerdings sind sie so selten, dass sie als bedroht eingestuft wurden. Ihre Lage dürfte sich nun deutlich verschlechtert haben, denn durch die Brände gingen vermutlich fast 40 Prozent ihres Lebensraums verloren. Die gut 90 Gramm leichten und 17 Zentimeter langen Mäuse fühlen sich in Wäldern wohl, deren Böden dicht bewachsen sind – etwa mit Farn, Riedgras und Kräutern. Ihre Nester bauen sie gerne in Baumhöhlen. All diese Bedingungen finden sie in ihrem Verbreitungsgebiet nun kaum noch vor.
Foto: Doug Beckers
Bürstenschwanz-Felskänguru: Der wissenschaftliche Name dieses Beuteltiers lautet Petrogale penicillata. Die Tiere werden bis zu 60 Zentimeter lang. Sie fressen Gräser, Blätter, Wurzeln, Rinde und Früchte. Schon vor den Bränden galten sie als gefährdet, denn Rotfüchse machen Jagd auf sie, Schafe und Ziegen der sich ausbreitenden Farmen fressen die Vegetation ab. Die auf Englisch Brush-Tailed Rock-Wallaby genannten Tiere leben vor allem in Neusüdwales und im Süden von Queensland – Regionen, die von den Bränden besonders betroffen sind. Ihr Lebensraum ist bereits zu 30 bis 50 Prozent zerstört.
Foto: Imago Images
Kurzschnabel-Ameisenigel, in der Fachsprache Tachyglossus aculeatus, sind eierlegende Säugetiere. Auffällig sind ihre Stacheln am Rücken und an den Flanken. Auf der Känguru-Insel lebt eine eigene Unterart der Tiere, der Känguru-Insel-Kurzschnabeligel Tachyglossus aculeatus multiaculeatus. Sein Lebensraum ist nun zu 50 bis 80 Prozent zerstört. Die dämmerungsaktiven Tiere haben eine lange, klebrige Zunge, mit der sie ihre Nahrung – Ameisen und Termiten – auflesen. Sie können gut graben und auch unter der Erde leben. Ob ihnen das genützt hat, ist noch unklar.
Foto: imago images/imagebroker
Bergbilchbeutler (Burramys parvus) sind kleine, mausähnliche Beuteltiere. Sie messen gut zehn Zentimeter. Ihren etwa 15 Zentimeter langen Schwanz können sie auch zum Greifen verwenden. Die nachtaktiven Tiere leben in der Gebirgsregion im südöstlichen Neusüdwales und im südlichen Victoria. Die Brände haben 10 bis 30 Prozent des Lebensraums der als gefährdet eingestuften Tiere zerstört. Bis 1966 dachte man, sie seien ausgestorben, weil man nur Fossilien von ihnen kannte. Dann wurden doch noch lebende Tiere entdeckt.
Foto: Phil Spark
Corroboree Frosch: Der Frosch kommt in zwei Arten vor. In nördlichen Lebensräumen besitzt er eine schwarze Färbung mit gelben Streifen und heißt Pseudophryne pengilleyi. Im Süden ist er gelb mit schwarzen Streifen (Pseudophryne corroboree). Er ist nur drei Zentimeter lang und ernährt sich vor allem von schwarzen Ameisen. Für seine Feinde ist er hochgiftig. Berichten der australischen Regierung zufolge geht die Zahl der Tiere seit 1980 stark zurück. Der Grund ist ein Pilz, der eine tödliche Krankheit hervorruft. Auch zunehmende Trockenheit macht dem Frosch zu schaffen, dessen Eier und Kaulquappen Feuchtigkeit brauchen. Naturschützer befürchten, dass nun die Brände dazu geführt haben, dass die Art des Südlichen Corroboree Froschs verloren ist.
Foto: imago images/Ferrero
Fleckschwanzbeutelmarder (Dasyurus maculatus) werden auch als Riesenbeutelmarder bezeichnet. Sie gehören zu den räuberischen Beuteltieren und ernähren sich von Säugetieren (mitunter sogar kleinen Wallabys), Reptilien und Insekten. Sie sind zwischen 35 und 75 Zentimeter lang. Die als gefährdet eingestuften Tiere leben in Regenwäldern und offenen Wäldern. In Australien und Tasmanien waren sie einst häufig. Die Menschen haben sie jedoch zurückgedrängt. Nun sind 10 bis 30 Prozent des verbliebenen Lebensraums durch Feuer zerstört.
Foto: Wikipedia
Koalas (Phascolarctos cinereus ) gehören ebenfalls zu den in Australien reichlich vorkommenden Beuteltieren. Sie leben vor allem auf Eukalyptusbäumen, ernähren sich fast ausschließlich von deren Blättern, Rinde und Früchten und sind 60 bis 85 Zentimeter groß. Ursprünglich waren sie in Australien weit verbreitet. Wegen ihres Fells wurden sie gejagt und in vielen Gebieten ausgerottet. Um sie zu erhalten hat man auf der Känguru-Insel, auf der die Art ursprünglich gar nicht vorkam, ein Reservat eingerichtet. Die Feuer, die die Insel schwer trafen, haben den Bestand dort vermutlich halbiert – auf 25 000. Auch anderswo wurden ihre Lebensräume zerstört, im Schnitt um 10 bis 30 Prozent. Koalas gelten als gefährdete Art.
Foto: imago Images/DAVID MARIUZ
Kleiner Kurznasenbeutler: Southern Brown Bandicoot heißt das Beuteltier auf Englisch, in der Fachsprache Isoodon obesulus. So klein ist er gar nicht: Die Tiere kommen je nach Geschlecht auf eine Länge von 25 bis 60 Zentimetern. Es sind Allesfresser. Insekten und deren Larven, Spinnentiere, Asseln und Würmer, Pilze, Wurzeln, Gräser, Früchte und Farne stehen auf ihrem Speiseplan. Die Art gilt als gefährdet. Unter anderem setzen ihr aus Europa eingeschleppte Raubtiere wie Rotfüchse, Hunde und Katzen zu, aber auch der Beutelmarder. Früher war der Kleine Kurznasenbeutler in fast allen Küstenregionen Australiens> zu Hause, heute nur noch im Süden. Dort sind jetzt bis zu 30 Prozent ihres Lebensraums verbrannt.
Foto: imago Images
Australische Breitzahnratte: Das Tier mit dem lateinischen Namen Mastacomys fuscus wird auf Englisch Broad-Toothed Rat genannt. Es lebt im Südosten Australiens und wurde bereits als gefährdet eingestuft. Der Rumpf ist bis zu 19 Zentimeter lang, der Schwanz bis zu 13 Zentimeter. Im Winter graben die Tiere Gänge in den Schnee und werden gesellig. In wärmeren Monaten sind sie Einzelgänger. Sie ernähren sich von Gräsern, Blättern und Samen. Die Brände haben 10 bis 30 Prozent ihres Lebensraums zerstört.
Foto: Magnus Kjaergaard
Einige Spezies rückten dadurch noch näher ans Aussterben, resümiert die Behörde. Der Analyse zufolge gehören zu den betroffenen Arten neben gut 270 Pflanzenspezies 16 Säugetier-, 14 Frosch- und neun Vogelarten.
Grafik: BLZ Galanty, Quelle Buerau of Meteorology (BOM), dpa
In Fernsehberichten waren viele Bilder von verletzten Wombats zu sehen. Um das Überleben dieser zwar schwer betroffenen, aber weit verbreiteten Tierart sorgt sich David Lindenmayer bei allem Mitleid nicht ganz so sehr. Er fürchtet vor allem um die Bestände von Tierarten, deren Lebensraum sich auf relativ kleine Gebiete in Australien beschränkt. Als Beispiel nennt er die Känguru-Insel-Schmalfußbeutelmaus, die nur auf der vor der Südküste Australiens gelegenen Känguru-Insel beheimatet ist. Auf dem durch Feuer schwer verwüsteten Eiland ist vermutlich auch etwa die Hälfte der 50 000 Koalas verendet.
Es sind etliche bedrückende Zahlen und Nachrichten von dem Kontinent auf der Südhalbkugel. Bislang sind mehr als 30 Menschen bei den Bränden umgekommen, fast 3000 Wohnhäuser wurden zerstört, knapp 19 Millionen Hektar Land sind abgebrannt. Dabei sind auch mindestens eine Milliarde Säugetiere, Reptilien und Vögel ums Leben gekommen, schätzt Chris Dickman, Ökologe an der University of Sydney in einer Hochrechnung.
Grafik: BLZ Galanty, dpa
„Es ist tödlich still, wenn man nach einem Brand in einen Wald geht“, berichtete der Ökologe Michael Clarke von der La Trobe University in Bundoora dem Fachmagazin Nature. Lediglich Aasfresser wie Würgerkrähen und Raben pickten in solch einem Gebiet an verendeten Tieren herum. Es sei eine schaurige Erfahrung.
Ausweichmöglichkeiten gebe es für unverletzt gebliebene Bewohner solcher Gebiete kaum. „Selbst wenn es ein Tier zu einem nicht verbrannten Flecken schafft, wird die Dichte der Lebewesen, die dort auch zu überleben versuchen, die Kapazität des Gebietes überschreiten“, so Clarke. Die Biodiversität in Australien sei ohnehin rückläufig, gibt sein Kollege Charles Dickman zu bedenken. Bei Säugetieren habe Australien die höchsten Aussterberaten weltweit.
Grafik: BLZ Galanty, BOM, dpa
Die Brände beschleunigten diese Prozesse nun für eine Reihe weiterer Arten. Hinter der Feuerkatastrophe steckt der Klimawandel. Darüber sind sich die meisten Experten einig. Immerhin war 2019 in Australien das heißeste und trockenste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Es sei allerdings schwer, einzelne Brände dem Klimawandel zuzuordnen, sagt Kirsten Thonicke vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Klar sei, dass die Klimaerwärmung extreme Hitzewellen wahrscheinlicher gemacht habe. „Und diese hohen Temperaturen sind sehr oft mit Trockenheit gepaart“, sagt die Feuerökologin. In sehr trockenen Jahren gebe es fast immer auch eine Zunahme verbrannter Flächen.
In Australien mache sich der Klimawandel besonders heftig und besonders früh bemerkbar, sagt Dickman. „Man kann bei uns sehen, was die globale Erwärmung in ihren ersten Stadien auch in anderen Teilen der Welt anrichten könnte“, ergänzt er. Nun gehe es darum, die Biodiversität zu schützen. Wie lange die Natur insgesamt brauchen wird, um sich zu erholen, lässt sich den Experten zufolge kaum abschätzen. Möglicherweise dauere das länger als bei Bränden zuvor. Denn das Nachwachsen der Vegetation hängt vom Niederschlag ab – und der ist unvorhersagbar geworden.