Berlin-Der Präsident der Vereinigten Staaten Joe Biden tut es, Vizepräsidentin Kamala Harris tut es. Und auch Anthony Fauci, der oberste Gesundheitswächter der USA folgt dem neuen Trend, zwei Masken übereinander zu tragen. Mit der Ausbreitung der ansteckenderen Virus-Variante B.1.1.7, die das Infektionsgeschehen zunehmend dominiert, bevorzugen es auch hierzulande immer mehr Menschen, sich Doppelmasken um Mund und Nase anzulegen. Auf eine OP-Maske wird eine Stoff- oder FFP2-Maske geschichtet. Oder auf eine OP-Maske eine weitere OP-Maske. Und irgendwie macht es auf den ersten Blick auch Sinn: Je mehr Schichten, desto mehr Viruspartikel werden zurückgehalten – sprich: doppelte Maske gleich doppelter Schutz. Oder?
Die Idee hinter dem sogenannten „Double Masking“ wurzelt im amerikanischen Gesundheitssystem. Die Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC) hat verschiedene Tests durchgeführt und ist in einer im Februar veröffentlichten Studie zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die Ansteckungsgefahr durch das Tragen von zwei Masken deutlich reduzieren ließe. Eine medizinische Maske oder eine Stoffmaske blocken laut CDC rund 56 beziehungsweise 51 Prozent der Partikel eines „simulierten Hustens“ ab.

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Wird die medizinische Maske verknotet und liegt entsprechend enger am Gesicht an, steige die Sicherheit auf 77 Prozent. Die Kombination aus einer Stoffmaske und einer medizinischen Maske filtere dagegen rund 85 Prozent der Partikel und schütze damit am besten. Die Tests wurden nach Angaben der Behörde jedoch mit jeweils einem Modell der medizinischen und Stoffmaske durchgeführt, die Ergebnisse könnten damit nicht auf alle Masken-Typen übertragen werden.
Der Aerosol-Experte und studierte Physiker Gerhard Scheuch hält nichts von Doppelmasken. Denn er weiß, wie die US-Empfehlung zustande kam: „Die CDC hat bereits im November 2020 in einem Scientific Brief zu Stoffmasken Stellung genommen und empfohlen, diese im Kampf gegen die Pandemie einzusetzen.“ Die Arbeit sei aber höchst zweifelhaft, die Empfehlung unsinnig, wie der ehemalige Präsident der Gesellschaft für Aerosolmedizin (ISAM) findet.
Die Menschen glauben wohl, dass sie, wenn sie unter der FFP-Maske noch eine OP-Maske tragen, einen Effekt von 120 Prozent erzielen. Das ist Unsinn.
„Die Literatur, die zitiert wurde, war fehlerhaft oder irrelevant. Einige Studien, die die Wirksamkeit von Stoffmasken untersucht haben, wurden im CDC-Bericht völlig falsch wiedergeben. Aus ,die Maske hält 20 bis 40 Prozent der Aerosolpartikel zurück‘ wurden 50 bis 70 Prozent“, so Scheuch. Doch genau deshalb gebe es überhaupt den Trend zum „Double Masking“, denn bei einem durchschnittlichen Rückhaltevermögen von weniger als 40 Prozent mache es natürlich Sinn, zwei oder drei Masken übereinanderzuschichten.
Wie gut eine Maske sitzt, ist ausschlaggebender
Die Gesellschaft für Aerosolforschung sei laut Gerhard Scheuch zu einem gegenteiligen Urteil gekommen. „Nur wenn gar nichts anderes verfügbar ist, soll man Stoffmasken tragen. Sie halten zwar große Tröpfchen zurück, die beim Sprechen entstehen, aber nicht die kleinen Aerosol-Partikel, die ausgeatmet werden. Aber genau davon geht die größte Gefahr aus.“ Deshalb gebe es in Deutschland in Geschäften oder Bussen und Bahnen die Pflicht zum Tragen von FFP2- oder OP-Masken.
„Hierzulande muss das Maskenmaterial eine bestimmte Dichtigkeit haben und 95 Prozent der kritischen Partikel zurückhalten. Die Menschen glauben wohl, dass sie, wenn sie darunter noch eine OP-Maske tragen, einen Effekt von 120 Prozent erzielen. Das ist Unsinn.“
Wie gut die Maske sitzt, sei viel wichtiger und bestimme letztlich auch das Rückhaltevermögen. „Risikoberechnungen zeigen, dass auch OP- und FFP2-Masken nur etwa 50 Prozent des eingeatmeten Aerosols zurückhalten. Je besser die Maske sitzt, desto höher ist der Wert.“ Eine OP-Maske kann (siehe Video) dabei mit einem einfachen Trick passender gemacht werden: Maske falten, Gummibänder eng verknoten, aufsetzen und die überstehenden Kanten einklappen. Ein FFP2-Modell sitzt wiederum gut, wenn sich der Stoff beim Einatmen an den Mund heranzieht und beim Ausatmen aufbläht.
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Ohne Mund-Nasen-Schutz atme der Mensch ein, das Zwerchfell ziehe die Luft in die Lunge, und beim Ausatmen entspanne sich alles. Wenn jemand allerdings eine FFP2-Maske trage, müsse die Luft aktiv nach außen gepresst werden. „Und das merkt man gewaltig. Die Atemmuskulatur ermüdet, weil man nicht entspannen kann, sondern richtig arbeiten muss“, so Scheuch. Genau aus diesem Grund müssten alle 70 Minuten Maskenpausen eingelegt werden.
Risiko, sich im Freien anzustecken, ist gering
Peter Walger, Vorstandssprecher der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH), sagte gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung, dass auch das Tragen von zwei Masken übereinander das Atmen massiv erschwere. „Die zwangsläufige Zunahme der Probleme beim Luftholen würde dazu führen, dass noch weniger Menschen konsequent Masken tragen.“ Eine Doppelmasken-Offensive, ob in den USA oder in Deutschland, wäre also für die Bereitschaft, überhaupt Masken zu tragen, kontraproduktiv.
Der Aerosol-Experte Gerhard Scheuch hat beobachtet, dass ohnehin die meisten Menschen Masken tragen, die zu groß oder zu klein sind oder zu locker sitzen. Die Luft ströme an den Seiten hinaus – „da kann man sich gleich ein Handtuch ums Gesicht binden“, sagt er. „Schlecht sitzende FFP2-Masken bringen nicht mehr als chirurgische. Deshalb halte ich diese für ähnlich effektiv.“
Dabei gilt: In Innenräumen sollte man die Zeit, die man mit anderen verbringt, möglichst kurz halten. Denn doppelte Zeit bedeutet vierfaches Risiko. „Und natürlich muss man alle halbe Stunde lüften, um die Ansteckungsgefahr zu verringern“, so der Physiker. Im Außenbereich sei es dagegen wichtig, Abstand zu halten. „Maskentragen im Freien ist nur dann sinnvoll, wenn man mit einem Menschen mindestens 15 Minuten Kontakt hat. Dann steht man quasi in seiner Aerosolwolke und braucht die Maske. Je mehr Menschen man gegenübersteht, desto mehr Partikel schweben in der Luft.“ Beim Spazieren gehen im Park oder beim Fahrrad fahren sei man ohnehin in Bewegung. Das Risiko sich anzustecken sei sehr gering, deshalb könne auch auf die Maske verzichtet werden.