Menschen trinken mehr Alkohol und rauchen häufiger
Die Gründe: Die Pandemie hat bei vielen Stress und Ängste ausgelöst. Mit Rauschmitteln würden sich die Menschen ablenken. Auch Langeweile begünstige den Konsum.

Berlin-Hier mal ein Glas Wein, später noch ein kühles Bier zum Abend, dazu vielleicht eine Zigarette oder zwei. In Zeiten von Homeoffice, Kontaktbeschränkungen und abgesagten Veranstaltungen haben Suchtmittel wieder Konjunktur. Seit Beginn der Pandemie trinken viele Menschen in Deutschland vermehrt Alkohol und rauchen häufiger. Das sind die Ergebnisse einer Forsa-Umfrage, welche die KKH Kaufmännische Krankenkasse in Auftrag gegeben hat.
Das Marktforschungsinstitut hat 1005 Personen im Alter von 16 bis 69 Jahren online befragt. Demnach trinken jeder dritte Mann und rund jede fünfte Frau an mehreren Tagen pro Woche Alkohol, neun Prozent der Männer und fünf Prozent der Frauen teils sogar täglich. Fast ein Viertel derjenigen, die ohnehin schon mehrmals wöchentlich Wein, Bier, Sekt oder Hochprozentiges konsumieren, geben an, dies seit der Pandemie häufiger zu tun.
Menschen greifen seit Corona häufiger zur Zigarette
Dabei ging der Konsum eigentlich in den vergangenen Jahren zurück. Doch die Corona-Krise hat die Situation wieder verschärft. Dies deutete sich bereits zu Beginn der Pandemie an. Schon im April vermeldete das Nürnberger Marktforschungsinstitut GFK: Von Ende Februar bis Ende März gingen mehr alkoholische Getränke über die Ladentheke als im gleichen Zeitraum 2019. Es wurden gut ein Drittel mehr Weinflaschen verkauft. Auch bei klaren Spirituosen wie Gin oder Korn betrug die Steigerung 31,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Dieser Trend scheint sich fortzusetzen. Auch bei anderen Rauschmitteln. Jeder neunte regelmäßige Raucher und sogar jeder dritte Gelegenheitsraucher sagen, seit Corona häufiger zur Zigarette zu greifen. Vor allem bei den Jüngeren hat der Konsum wieder zugenommen: Rund jeder dritte 16- bis 29-Jährige raucht seit der Krise mehr. Ganz oben auf der Skala stehen Zigaretten mit 71 Prozent. Jeder Sechste in dieser Altersgruppe raucht Shisha und jeder Zwölfte konsumiert Drogen wie Cannabis, Marihuana oder Haschisch.
Jeder neunte Befragte greift laut der Forsa-Umfrage außerdem zu leistungssteigernden Mitteln in Form von Tabletten oder Energy-Drinks. In der Altersgruppe der 16- bis 29-Jährigen macht dies jeder Sechste.
Alkohol und Zigaretten als Mittel gegen Stress und Ängste
„Ein gesteigerter Coolness-Faktor sowie Stress und Langeweile zählen zu den häufigsten Gründen, warum gerade junge Menschen trinken und rauchen“, wird Michael Falkenstein, Experte für Suchtfragen bei der KKH in einer Mitteilung zitiert. Durch den Lockdown während der Corona-Pandemie hätten die Langeweile und somit der Konsum von Zigaretten, Alkohol und anderen Drogen zugenommen.
Zum anderen seien solche Rauschmittel gerade in Krisenzeiten für viele Menschen eine Art Bewältigungsmechanismus, da sie entspannen und beruhigen und vermeintlich Ängste und Sorgen vertreiben, so Falkenstein. „Die große Gefahr dabei ist, dass aus dem vermehrten Konsum während einer schweren Phase eine Gewohnheit wird und dadurch ein noch höheres Risiko für eine Abhängigkeit entsteht.“
Anne Koopmann, Oberärztin an der Klinik für Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim, betont gegenüber der dpa, dass das Mehr-Trinken über einen längeren Zeitraum das Risiko für eine Abhängigkeit signifikant erhöhe, aber nicht zwangsläufig dazu führen müsse.
Die Corona-Krise sei für viele Menschen auch eine emotionale Krise. „Alkohol ist ein Mechanismus, eine kurzfristige Linderung von Sorgen zu erleben“, sagt Koopmann. Doch wir seien jetzt noch in der Situation, dem entgegenzuwirken. Jede und jeder könne sein Trinkverhalten genau beobachten, dieses etwa mit Hilfe eines Tagebuchs dokumentieren und sich vielleicht einem Arzt oder einer Beratungsstelle anvertrauen. „Wenn ich mir über mehrere Wochen und Monate ein gewisses Trinkmuster angewöhne, muss ich schon aktiv dagegen arbeiten, um wieder von diesem Muster wegzukommen“, so die Ärztin.
Die Krankenkasse KKH weist in ihrer Mitteilung zur Forsa-Umfrage darauf hin, dass es gewisse Richtwerte für den Konsum von Alkohol gibt. Dieser liegt für gesunde erwachsene Frauen bei einem Standardglas (10 bis 12 Gramm reiner Alkohol) pro Tag. Für gesunde erwachsene Männer gilt die doppelte Menge. Die Übergänge von einem risikoarmen über einen riskanten und schädlichen Alkoholkonsum bis hin zu einer Abhängigkeit sind fließend.
Bezüglich Tabak gilt laut KKH: Es gibt keinen unbedenklichen Gebrauch. Schon bei einer Zigarette pro Tag steigt das Risiko für eine Herzerkrankung und einen Schlaganfall.