In der westaustralischen Shark Bay geschehen erstaunliche Dinge. Und die haben nicht mit den namengebenden, hier besonders zahlreichen Tigerhaien zu tun, sondern mit den Delfinen. Genauer gesagt: mit den Großen Tümmlern (Tursiops truncatus). Sie sind eine echte Attraktion in der etwa 10.000 Quadratkilometer großen Meeresbucht. Allein die Delfinfütterung am Strand von Monkey Mia lockt jedes Jahr Tausende von Touristen an. Vor allem aber sind die Tümmler für ihre außergewöhnliche Fangtechnik des „Shelling“ bekannt, sie fangen Fische mit leeren Schneckengehäusen. Bei dieser ausgefeilten Jagdtechnik befördern die Meeressäuger das Gehäuse mit ihrem Schnabel an die Meeresoberfläche und schütteln sich die darin gefangenen Beutetier ins Maul.
So weit, so genial. Aber es kommt noch besser: Wissenschaftler von der Universität Zürich (UZH) haben zwischen 2007 und 2018 mehr als 1000 Tümmler in der Shark Bay untersucht; sie wollten herausfinden, wie die Tiere ihre besondere Fangtechnik erlernen. Solche Techniken werden normalerweise von den Delfinmüttern an ihre Kälber weitergegeben, was man als vertikale Übertragung bezeichnet. Die Studie, die Michael Krützen, Direktor des Anthropologischen Instituts der UZH, initiiert hat, zeigt nun, dass sich das „Shelling“ in erster Linie innerhalb einer Generation ausgebreitet hat, also horizontal übertragen wurde und nicht zwischen zwei Generationen. Und das wiederum heißt: Delfine lernen nicht nur von ihren Eltern, sondern insbesondere von ihrer Altersgenossen.
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Für Krützen zeigen sich auffallende Ähnlichkeiten zwischen der Gruppe der Zahnwale und der Familie der Menschenaffen: „Beide sind langlebige Säugetiere mit großen Gehirnen, die über zahlreiche Fähigkeiten zur Innovation und zur Weitergabe von kulturellen Verhaltensweisen verfügen.“ Der evolutionäre Vorteil dieser Form der Wissensvermittlung liegt darin, dass sich die Tiere bei verändernden Umweltbedingungen schneller anpassen können. So steht das „Shelling“ möglicherweise im Zusammenhang mit einer Hitzewelle 2011. Damals verendete eine große Zahl von Fischen und wirbellosen Tieren in der Shark Bay. Dieser Beuteschwund könnte die Delfine dazu veranlasst haben, neues Verhalten zur Nahrungssuche von ihren Gefährten zu übernehmen, wie die UZH schreibt.