Cairns-Die Menschheit ernährt sich heute deutlich weniger vielfältig als noch vor gut 100 Jahren. Zu diesem Schluss kommen Wissenschaftler nach chemischen Analysen von menschlichem Gewebe. Nur die Völker, die bis heute sehr naturnah leben, zeigen demnach eine ähnliche Ernährungsvielfalt wie die Menschen vor 1910 – also vor der Erfindung des Kunstdüngers und dem Beginn der industrialisierten Landwirtschaft und Viehhaltung.
Der Mensch nutzt ein extrem breites Spektrum pflanzlicher und tierischer Nahrung. Um zu erforschen, wie sich die Ernährung durch die moderne Landwirtschaft verändert hat, analysierten die Forscher um Michael Bird von der James Cook University in Cairns (Australien) rund 14.000 Gewebeproben – Kollagen, Haare und Nägel – heutiger und früherer Menschen. Dabei berücksichtigten sie drei Gruppen: eine moderne städtische Bevölkerung, moderne Menschen in Subsistenzwirtschaft und Menschen vor 1910 (mit zahlreichen Proben, die mehrere tausend Jahre alt waren).
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Vor 1910 war die Vielfalt dreimal so groß
Gemessen wurden Kohlenstoff als Delta-C-13 und Stickstoff als Delta-N-15. Delta-C-13 ist das Verhältnis der Kohlenstoff-Isotope C-13 und C-12 zueinander im Vergleich zu einem Standard. Der Delta-C-13-Wert ändert sich je nachdem, ob die Nahrung vom Land oder aus dem Meer stammt. Über den Delta-N-15-Wert (Verhältnis der Isotope N-15 zu N-14) können Forscher ermitteln, auf welcher Ebene der Nahrungskette (Pflanze, Pflanzenfresser, Raubtier) die Nahrung des jeweiligen Menschen gestanden hat. Beide Werte zusammen geben Auskunft darüber, wie vielfältig die Ernährung des jeweils untersuchten Menschen war.
Menschen vor 1910 zeigten teilweise sehr unterschiedliche Delta-C-13- und Delta-N-15-Werte, selbst Gruppen aus demselben geografischen Raum. Bei manchen Gruppen war das Spektrum der Werte eingeschränkt, wenn sie sich beispielsweise hauptsächlich vegetarisch oder sehr fleischreich ernährten, wie die Forscher im Fachjournal PNAS berichten. Global betrachtet aber sei die Ernährungsvielfalt vor 1910 und bei modernen Menschen in Subsistenzwirtschaft etwa dreimal so groß wie bei modernen, städtischen Menschen gewesen.
Weniger Varianten von Nutzpflanzen
Die Forscher führen das auf die moderne Landwirtschaft mit einer Konzentration auf zunehmend weniger Varianten von Nutzpflanzen und -tieren sowie auf die weltweiten Lieferketten zurück: „Die Supermärkte, die auf diese globalen Lieferketten zurückgreifen, haben jetzt einen Anteil von mehr als 50 Prozent am Lebensmitteleinzelhandel in Ländern mit einem Jahreseinkommen von mehr als 10.000 US-Dollar pro Kopf.“ Die weltweiten Handelsströme führen demnach zu einer Angleichung des Nahrungsangebots. (dpa/fwt)