Ein Breitbandmittel gegen Schlangenbisse

Vor allem in den Tropen sind Schlangenbisse eine häufige Ursache von Todesfällen und Behinderungen. Zwei Hemmstoffe könnten nach Vipernbissen Leben retten.

Die Gemeine Sandrasselotter (Echis carinatus) ist in Asien verbreitet.
Die Gemeine Sandrasselotter (Echis carinatus) ist in Asien verbreitet.Wolfgang Wüster

Liverpool-Eine Kombination zweier Wirkstoffe könnte möglicherweise vielen Opfern von Schlangenbissen künftig das Leben retten. Ein internationales Forscherteam berichtet im Fachblatt Nature Communications, dass die beiden Toxin-Inhibitoren, also Giftstoff-Hemmer, Mäuse vor den Giften von fünf der gefährlichsten Vipernarten aus Afrika, Asien und Amerika schützen. Praktisch ist dabei, dass beide Wirkstoffe – ursprünglich getestet gegen Krebs und Herzprobleme – sich bereits in klinischen Studien am Menschen als sicher erwiesen haben. Sie könnten zudem vor Ort geschluckt werden.

Mehr als 600 der weltweit mehr als 3000 Schlangenarten sind giftig. In vielen tropischen und subtropischen Regionen zählen Schlangenbisse zu den häufigsten Todesursachen: Jedes Jahr sterben daran weltweit etwa 138.000 Menschen, wie das niederländisch-britische Team um Nicholas Casewell von der Liverpool School of Tropical Medicine schreibt. Hinzu kommen rund 400.000 Menschen, die durch die Gifte dauerhaft behindert bleiben, etwa weil sie erblinden oder Gliedmaßen verlieren.

Artübergreifend wirksam

Ein Problem ist, dass die Zusammensetzung der Gifte, die aus verschiedenen Toxinfamilien stammen und unterschiedliche Organsysteme schädigen, oft wenig bekannt ist. Gegengifte sind meist teuer und unzuverlässig, haben beträchtliche Risiken und sind gerade in ländlichen Regionen, wo die meisten Menschen gebissen werden, kaum verfügbar. Derzeit gewinnt man solche Antivenome, indem man etwa Pferden oder Schafen Schlangengifte verabreicht und dann aus dem Blutserum der Tiere Antikörper isoliert. Das ist jedoch extrem aufwendig und hilft – wenn überhaupt – allenfalls bei Bissen der jeweiligen Art.

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Das Team um Casewell stellt nun einen völlig anderen Ansatz vor. Die Forscher testeten diverse Toxin-Inhibitoren zunächst im Labor auf ihre Wirkung gegen gängige Viperngifte. Nach den Laborstudien konzentrierte sich das Team auf zwei Wirkstoffe (Marimastat und  Varespladib), die ursprünglich als Tumor- und Herzmittel entwickelt worden waren. An Mäusen testete das Team die Wirkung der Hemmstoff-Kombination gegen das Gift von fünf Vipern, auf die in den jeweiligen Verbreitungsgebieten sehr viele Todesfälle zurückgehen. Selbst wenn die Forscher mindestens die 5-fache Dosis eines Schlangengifts injizierten und erst 15 Minuten später die beiden Präparate, überlebten die Tiere – mit einer Ausnahme – im Untersuchungszeitraum von 24 Stunden.

„Unsere Daten belegen erstmals empirisch, dass Kombinationen kleiner molekularer Toxin-Hemmer Schlangengifte artübergreifend neutralisieren können“, schreibt das Team. Guido Westhoff, Vorsitzender des Vereins Serum-Depot Berlin, ist von den Ergebnissen der Studie begeistert. „Nach all den Jahrzehnten mit hochproblematischen Antivenomen ist das ein vielversprechender Ansatz.“ (dpa/fwt)