Ende der Isolation: Wenn die Regierung die Durchseuchung endgültig beschließt

Am 1. Mai wird die Isolationspflicht für Corona-Infizierte aufgehoben. Eine Entscheidung des Gesundheitsministers, die nicht zwiespältiger sein könnte.

Die Aufhebung der Isolationspflicht stellt insbesondere für Risikopatienten eine große Gefahr dar. Sie werden sich künftig mehr einschränken müssen.
Die Aufhebung der Isolationspflicht stellt insbesondere für Risikopatienten eine große Gefahr dar. Sie werden sich künftig mehr einschränken müssen.imago

Berlin-Corona-Infizierte müssen sich ab 1. Mai nicht mehr verpflichtend in Isolation begeben. Die neuen Quarantäne- und Isolationsregeln sollten ab diesem Termin auf „Freiwilligkeit“ beruhen, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nach Beratungen mit seinen Kolleginnen und Kollegen aus den Ländern. Ausgenommen seien Beschäftigte im medizinischen Bereich: Sie können sich nach fünf Tagen Isolation freitesten. Für alle anderen gelte dann nur noch „die dringende Empfehlung“, sich im Fall einer Infektion in Selbstisolation zu begeben und nach Ablauf von fünf Tagen freizutesten.

„Die jetzige Regelung funktioniert zwar, ist aber dauerhaft nicht notwendig“, sagte Lauterbach. Ab dem 1. Mai solle ein Verfahren greifen, „das im Großen und Ganzen auf Freiwilligkeit beruht“. Die Neuregelung gelte für Infizierte mit Symptomen und ohne Symptome gleichermaßen und müsse von den Ländern umgesetzt werden. Die bisherige Regelung sieht vor, dass sich Infizierte zehn Tage in Isolation begeben müssen. Nach sieben Tagen dürfen sie sich, wenn sie keine Symptome mehr zeigen, freitesten.

Lockerung wird für „reichlich absurd“ gehalten

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, kritisierte die Neuregelung. „Zwiespältiger könnte die Nachricht der Gesundheitsminister kaum sein“, sagte er. „Auf der einen Seite die Mahnung vor dem Virus. Auf der anderen Seite die Verharmlosung der Infektion, die ansteckender ist denn je.“ Für die Hochrisikogruppen, die „mitten unter uns“ leben, „wird es immer gefährlicher“. „Wie es Corona-Leugner tun, wird die Infektion verharmlost“, sagte er.

Der Epidemiologe Hajo Zeeb forderte eine Beibehaltung der Pflicht zur Isolation von Infizierten. „Wenn eine Person Symptome aufweist, dann sollte sie zu Hause die Corona-Infektion aussitzen, anstatt noch mehr Menschen anzustecken“, sagte Zeeb dem RND. Gerade bei der Omikron-Variante bestehe die Gefahr einer sehr schnellen Weitergabe des Virus. Eine Isolationspflicht von fünf Tagen sollte daher unbedingt eingehalten werden. Dagegen hält Zeeb eine Quarantäne für Kontaktpersonen nicht mehr für notwendig.

Auch der CSU-Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger kritisierte die Abschaffung der Isolationspflicht. Im Bayerischen Rundfunkt sagte er am Dienstag, er halte diese Lockerung „für reichlich absurd“. Es sei „nicht sinnvoll, dass Menschen, die sich infiziert haben (...), draußen noch rumrennen und andere infizieren“.

Lauterbach: „Wendepunkt scheint erreicht zu sein“

Die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz (GMK), Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD), erklärte hingegen: „Den geplanten Strategiewechsel der Quarantäne- und Isolationsregelungen hin zu mehr Eigenverantwortung halten wir für vertretbar.“ In der aktuellen Phase der Pandemie komme es „mehr als zuvor auf die Eigenverantwortung jedes Einzelnen an, sich selbst und andere vor einer Ansteckung zu schützen“.

Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion Tino Sorge (CDU) begrüßte den zum 1. Mai geplanten Schritt ebenfalls. „Wir haben als Union schon vor einigen Tagen gesagt, wir müssen genau hinschauen, dass wir uns Überlastungssituationen in vielen Bereichen nicht dadurch quasi produzieren, dass die Menschen durch starre Quarantäneregelungen zu Hause bleiben“, sagte er am Dienstag im „ZDF-Morgenmagazin“. Es gebe viele milde und symptomlose Verläufe. „Wer sich krank fühlt, soll zu Hause bleiben. Aber nicht, dass wir ständig anlasslos testen.“ Gleichzeitig müsse in bestimmten Bereichen genau hingeschaut werden, „damit eben risikobehaftete, ältere Menschen dadurch nicht gefährdet werden“.

Lauterbach wertete den aktuellen Stand des Pandemiegeschehens indessen vorsichtig optimistisch. „Der Wendepunkt scheint erreicht zu sein“, sagte er. „Die Fallzahlen gehen zurück.“ Allerdings sei das Land noch „nicht in einer Situation, in der man entwarnen kann.“

Scharfe Kritik auch auf Twitter

Auch auf der Social-Media-Plattform Twitter wurde die Aufhebung der Isolationspflicht schwer kritisiert. Unter den Hashtags #Durchseuchung und #SchwereSchuld taten Hunderte Nutzerinnen und Nutzer ihren Unmut kund. Eine Auswahl: