Erythrit als Ersatz für Zucker – doch nicht so gesund?

Studie stellt Verbindung zwischen Süßungsmittel und erhöhtem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen her. Es fehle aber die Kontrollkohorte, so Wissenschaftler.

Die Deutschen lieben es süß zum Frühstück – viele ersetzen inzwischen Zucker durch andere Süßungsmittel. Erythrit galt bisher als im Vergleich besonders gesund.
Die Deutschen lieben es süß zum Frühstück – viele ersetzen inzwischen Zucker durch andere Süßungsmittel. Erythrit galt bisher als im Vergleich besonders gesund.dpa

Erythrit ist als besonders gut verträglicher Zuckeraustauschstoff bekannt und wird häufig als kalorienfreie Zuckeralternative in energiereduzierten Lebensmitteln verwendet. Eine Studie mit deutscher Beteiligung stellt nun jedoch eine Verbindung zwischen dem Süßungsmittel und einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen her sowie einer gesteigerten Blutgerinnung. Die Ergebnisse sind im Fachjournal Nature Medicine veröffentlicht worden.

Dazu wurden die Blutproben einer Kohorte von 1157 Personen untersucht, die ein hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen hatten. Das Ergebnis: Bei denjenigen, die über den Beobachtungszeitraum von drei Jahren eine schwerwiegende kardiovaskuläre Komplikation hatten, wie etwa einen Myokardinfarkt, stießen sie im Plasma auf eine gesteigerte Konzentration einiger sogenannter Zuckeralkohole (Polyole), darunter insbesondere auf den Zuckeraustauschstoff Erythrit.

Die Ergebnisse bestätigten sich in weiteren Analysen zweier Validierungskohorten mit weiteren Personen, ebenfalls mit einer hohen Prävalenz von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Risikofaktoren, einschließlich Typ-2-Diabetes und Fettleibigkeit. Eine Kohorte stammte aus den USA und umfasst 2149 Probanden, die zweite Kohorte umfasst 833 Personen aus Deutschland. Weitere Untersuchungen ergaben, dass eine Zugabe von Erythrit zu Blut oder Blutplättchen zu einer beschleunigten Gerinnungsbildung führte.

Zuletzt wurde eine prospektive Interventionsstudie mit acht gesunden Personen durchgeführt, die ein mit 30 Gramm Erythrit gesüßtes Getränk zu sich nahmen. Der Süßmittelgehalt dieses Getränks ist laut Studie vergleichbar mit einer Dose eines handelsüblichen künstlich gesüßten Getränks oder 500 Milliliter Diät-Eiscreme. Der Verzehr dieses Getränks erhöhte den Erythritspiegel im Blut über einen Zeitraum von zwei Tagen so stark, dass er laut den Forschenden weit über der Schwelle lag, bei der zuvor signifikante Hinweise auf eine veränderte Blutplättchenaktivität beobachtet wurden.

Obwohl Erythrit in geringen Mengen vom Körper selbst produziert wird und in natürlichen Nahrungsmitteln wie Früchten und fermentierten Lebensmitteln vorkommt, zählt es als Zusatzstoff und bedarf somit in Europa einer Zulassung. Bewertungen des Wissenschaftlichen Lebensmittelausschusses der Europäischen Union sowie zuletzt im Jahr 2015 der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hatten keine gesundheitlichen Bedenken gegen die Verwendung von Erythrit ergeben. Bei Produkten, die zu mehr als zehn Prozent aus Zuckeralkoholen bestehen, muss bisher lediglich darauf hingewiesen werden, dass sie bei übermäßigem Verzehr abführend wirken können. Somit stellt Erythrit einen von derzeit acht in der EU zugelassenen Zuckeraustauschstoffen dar und darf bestimmten industriell gefertigten Lebensmitteln ohne Mengenbegrenzung zugesetzt werden.

Sowohl Zuckeraustauschstoffe als auch Süßstoffe, wie etwa Aspartam, kommen immer häufiger in Lebensmitteln zum Einsatz. Gerade vorerkrankten Personen werden sie oft als gesündere Zuckeralternative empfohlen. Dennoch gibt es bisher nur wenige Langzeitstudien zu ihrer Wirkung. Dabei spielt die Bewertung ihrer Sicherheit und Unbedenklichkeit eine erhebliche Rolle, wenn wie zuletzt wieder intensiv die Reduzierung von Zucker, etwa durch eine Zuckersteuer, diskutiert wird.

Zu der Studie in Deutschland befragte Wissenschaftler geben allerdings Entwarnung. Die neue Studie biete zwar eine Korrelation, aber keine Kausalität. Die Studie sei jedoch ein „überfälliger Impuls“, so der Endokrinologe Stefan Kabisch vom Deutschen Zentrum für Diabetesforschung an der Charité in Berlin, auch bereits zugelassene Nahrungsmittel-Zusatzstoffe wie Süßungsmittel intensiver zu beforschen und dabei jenseits von reinen Beobachtungsdaten auch mechanistische Experimente im Zellmodell, an Versuchstieren und mit menschlichen Probanden einzubeziehen. Eine eindeutige Bewertung von Substanzen, die in nicht relevanter Dosis Teil einer gesunden Ernährung sind, sei nur in der Gesamtschau solcher komplexen Studien möglich. Für isolierte Substanzen wie Süßungsmittel seien randomisierte Langzeitinterventionsstudien, wie sie sonst in der Medikamentenentwicklung üblich sind, durchaus auch realistisch umsetzbar. Bislang seien Interventionsstudien gerade für Zuckeralkohole extrem rar.

Kabisch sagt aber auch: „Für eine Warnung vor Zuckerersatzstoffen ist es zu früh. Der Wechsel zurück zum Zucker ist vermutlich nicht der gesündere Weg.“