Fast 50 Grad Hitze in Kanada: Forscher werten Hitzedaten seit 1950 aus
Sind Ökosystem und Bewohner daran gewöhnt, dass es auch mal viel heißer werden kann als im Mittel, sind die Folgen einer Hitzewelle oft weniger heftig.

Eine ungewöhnliche Hitzewelle lässt Menschen in Indien und Pakistan seit Wochen leiden. Darüber wird viel berichtet – einige ähnlich heftige Hitzewellen der vergangenen Jahrzehnte sind Forschenden zufolge hingegen weitgehend unbeachtet geblieben. Wahrscheinlicher Grund sei, dass die Extreme in ärmeren Ländern oder Regionen mit weniger verfügbaren Daten auftraten, schreiben sie im Fachjournal Science Advances.
Die Temperaturabweichungen zum Durchschnitt sind wichtig
„Es ist wichtig, den Schweregrad von Hitzewellen anhand der lokalen Temperaturschwankungen zu beurteilen, da sich sowohl der Mensch als auch das natürliche Ökosystem daran anpassen, so dass in Regionen mit geringeren Schwankungen ein kleineres absolutes Extrem stärkere Auswirkungen haben kann“, erläuterte die Klimawissenschaftlerin Vikki Thompson. Ihr Team von der University of Bristol wertete Hitzewellen im Zeitraum von 1950 bis 2021 aus.
Berechnet wurden jeweils die Abweichungen von den mittleren Schwankungen der Tageshöchsttemperatur im zurückliegenden Jahrzehnt. Einen Rekord brachte demnach die Hitzewelle im Westen Nordamerikas im Sommer 2021: Am 29. Juni sei in der Stadt Lytton, British Columbia, ein kanadischer Höchstwert von 49,6 Grad gemessen worden. Der bisherige Höchstwert in den Aufzeichnungen seit 1950 sei damit um 4,6 Grad übertroffen worden. Die Hitzewelle sei mit Hunderten Opfern das bisher tödlichste Wetterereignis in Kanada gewesen. Waldbrände hätten zu umfangreichen Infrastrukturschäden und Ernteausfällen geführt.
Die drei heftigsten Hitzewellen weltweit – relativ zu den üblichen Abweichungen im jeweiligen Zeitraum des Jahres betrachtet – gab es der Analyse zufolge in Südostasien im April 1998, in Brasilien im November 1985 und im Süden der USA im Juli 1980. Die europäische Hitzewelle von 2003 hingegen zähle nach der gewählten Berechnungsweise nicht zu den Spitzenereignissen.
Die Intensität von Hitzewellen nimmt wahrscheinlich weiter zu
Generell handle es sich nicht um eine endgültige Liste der extremsten Ereignisse, betonen die Wissenschaftler. Schon kleine Änderungen der Methodik, etwa der zeitlichen Auflösung oder regionalen Zuordnungen, könnten die identifizierten Ereignisse oder ihre Reihenfolge ändern.
Anhand von Klimamodell-Projektionen schlossen die Wissenschaftler auf die Entwicklung im weiteren Verlauf des Jahrhunderts. Die Analyse bestätigt demnach Prognosen, denen zufolge die Intensität von Hitzewellen im Zuge steigender globaler Temperaturen zunehmen wird. Regionen, die zufällig in letzter Zeit keine extreme Hitzewelle erlebt haben, seien möglicherweise weniger gut auf potenziell bevorstehende Ereignisse vorbereitet, warnt das Team um Thompson. Dies gelte etwa für Teile von Australien und Zentralafrika.
Zu berücksichtigen sei auch, dass die Auswirkungen von Hitze in Städten noch verstärkt werden. Da Prognosen zufolge fast 70 Prozent der Weltbevölkerung bis 2050 in Städten leben werden, nähmen dort auch die Risiken durch extreme Hitzeereignisse besonders zu.