Forscher wecken Rädertierchen nach 24.000 Jahren im Eis

Wie im Science-Fiction-Film: Lebewesen, die Jahrtausende im ewigen Eis lagen, erwachen nach dem Auftauen zum Leben. Was heißt das für die Kryonik?

Nach 24.000 Jahren im Permafrost erwachte das Rädertierchen wieder zum Leben.
Nach 24.000 Jahren im Permafrost erwachte das Rädertierchen wieder zum Leben.Michael Plewka

Puschtschino-Aus dem sibirischen Permafrostboden haben Forscher lebensfähige Rädertierchen geborgen, die für 24.000 Jahre eingefroren waren. Nach dem Auftauen begannen sich die mikroskopisch kleinen Mehrzeller zu teilen, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin Current Biology. Wie die Organismen diesen langen Kälteschlaf überstehen konnten, ist noch unklar.

„Unsere Studie ist der bislang deutlichste Beweis dafür, dass mehrzellige Tiere Zehntausende von Jahren in Kryptobiose, dem Zustand eines fast vollständig zum Stillstand gekommenen Stoffwechsels, überstehen können“, sagt der  Biologe Stas Malavin vom Soil Cryology Lab am russischen Institut für physikalisch-chemische und biologische Probleme der Bodenkunde. Das Labor ist darauf spezialisiert, mikroskopische Organismen per Bohrung aus dem sibirischen Permafrostboden zu isolieren.

Rädertierchen (Rotifera) bilden eine große Gruppe vielzelliger Tiere, die mit ihren 0,1 bis 0,5 Millimetern Körpergröße nur unter dem Mikroskop zu erkennen sind. Bislang wurden etwa 2000 Arten beschrieben, deren Körper sich grob in drei Teile gliedern lässt: einen aus zwei Anhängen bestehenden Fuß mit Klebedrüsen, einen Rumpf sowie einen Kopf mit dem namensgebenden Räderorgan (Corona). Dieses besteht aus beweglichen Wimpernfeldern oder -kränzen, mit denen sich die Tiere fortbewegen und Nahrung einstrudeln. Sie leben vor allem im und am Wasser.

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Die Rädertierchen, die die Forscher in einer der Eisproben fanden, gehören zur Gattung Adineta. Ihr Alter von 24.000 Jahren bestimmten sie mithilfe der Radiokarbondatierung. Nach dem Auftauen waren die Tiere in der Lage, sich über Parthenogenese – eine Form der eingeschlechtlichen Fortpflanzung – zu vermehren. Daraus züchteten die Wissenschaftler eine zweite Kultur von Rädertierchen, an denen sie den Prozess des Einfrierens und Auftauens studierten.

Die Versuche zeigten, dass die meisten Rädertierchen die Bildung von Eiskristallen, die beim langsamen Einfrieren entstehen, überstehen konnten – ein Hinweis darauf, dass sie über einen Mechanismus verfügen, der ihre Zellen und Organe vor Schaden schützt. Natürlich steige die Schwierigkeit, einen Organismus zu konservieren, mit seiner Komplexität. Für Säugetiere sei dies derzeit nicht möglich, sagt der Biologe Stas Malavin. Ihm zufolge sei noch unklar, was dafür nötig ist, um nur ein paar Jahre im Eis zu überleben und ob der Sprung zu Tausenden Jahren einen großen Unterschied mache.

Die Wissenschaftler wollen nun nach weiteren eingefrorenen Tieren suchen und mehr über die biologischen Mechanismen erfahren. Sie hoffen, Anhaltspunkte dafür zu finden, wie man Zellen, Gewebe und Organe anderer Tiere, einschließlich des Menschen, besser kryokonservieren kann.