Grippewelle in Berlin 2019: RKI warnt: Viren sind Anpassungskünstler

Vor ziemlich genau einem Jahr brach einer der schwersten Grippewinter seit langem an. Mitte Februar stieg die Zahl der Arztbesuche stetig und schnell an. Zum Ende der Grippesaison 2017/2018 registrierte das Robert Koch-Institut (RKI) 332.103 Grippefälle in Deutschland sowie mehr als 1500 durch Labore bestätigte Grippetote. Ob uns in den kommenden Wochen eine ähnlich schwere Grippewelle erwartet, lässt sich nicht voraussagen. Bisher sind in Berlin und Brandenburg etwa 4000 Influenzaerkrankungen bestätigt. Doch die Zahlen könnten noch deutlich ansteigen, sagt Susanne Glasmacher vom RKI.

Frau Glasmacher, war im Februar 2018 bereits absehbar, dass es sich um eine besonders intensive Grippesaison handeln würde?

Das war zu diesem Zeitpunkt nicht absehbar. Aber der sogenannte Praxisindex, der den Anteil von Atemwegserkrankungen an den Arztbesuchen insgesamt misst, stieg stark an. Ab der siebenten, achten Kalenderwoche lag der Praxisindex 2018 dann über den Werten der Grippesaison 2016/2017, der sehr hohe Gipfel hielt lange an.

Und wie ist die aktuelle Situation in Berlin?

Bisher haben wir einen ähnlichen Verlauf wie im vergangenen Jahr. Die Grippewelle hat in der zweiten Kalenderwoche begonnen. Seither nimmt die Grippeaktivität stetig zu, das ist normal. In Berlin und Brandenburg lag der Praxisindex in der fünften Woche bei 170, in der sechsten Woche stieg die Zahl auf 230. Das bedeutet, dass in der vergangen Woche 2,3 mal so viele Patienten mit Atemwegserkrankungen beim Arzt waren wie im vergleichbaren Zeitraum ohne Grippewelle. Die sehr hohen Werte vom Vorjahr wurden bisher aber noch nicht erreicht.

Gibt es eigentlich jeden Winter zwingend eine Grippewelle?

Ganz ohne Grippewelle geht es nicht. Jeden Winter gelangen Influenzaviren ins Land. Zuvor haben sie im Sommer auf der Südhalbkugel für Grippeerkrankungen gesorgt, im Bereich des Äquators gibt es das ganze Jahr über Grippe. Dabei sind diese Viren Anpassungskünstler, die sich kontinuierlich verändern. Das Immunsystem kann sich daher nicht auf Dauer auf sie einstellen.

Impfstoffe sollen vor Erkrankung schützen. Wann werden sie entwickelt, und wie wirksam sind sie in diesem Jahr?

Bereits Ende Februar des Jahres 2018 hat die Weltgesundheitsorganisation die Zusammensetzung der Impfstoffe für dieses Jahr empfohlen. Über die Wirksamkeit der Grippeschutzimpfung lässt sich bisher noch keine sichere Aussage treffen. Für die Produktion des Impfstoffs werden meist angebrütete Hühnereier verwendet. Treffen die Viren auf diese Hühnerzellen, verändern sie sich nicht selten. Es kann vorkommen, dass die WHO sehr wohl den Virusstamm, der derzeit kursiert, ausgewählt hat, dieser sich jedoch noch veränderte, sodass der Impfstoff weniger wirksam ist.

Wie gefährlich sind die Viren? In Bayern haben Hausärzte von schweren Verläufen berichtet …

Die vier Linien von Grippeviren – H1N1 und H3N2 bei TypA und die Linien Victoria und Yamagate beim TypB – haben viele Gemeinsamkeiten. Alle vier können das ganze Spektrum von leichten zu schwereren Verläufen und sogar Todesfällen verursachen.

Welcher Viren-Typ ist in diesem Jahr vorherrschend?

In diesem Jahr ist TypA vorherrschend. Subtyp H3N2 gilt dabei als besonders veränderungsfreudig. Im letzten Jahr war es vorrangig TypB.

Wenn sich das aktuelle Virus so schnell verändert, macht es denn dann überhaupt Sinn, sich impfen zu lassen?

Ja, weil trotzdem viele Erkrankungsfälle verhindert werden. In Deutschland sind es selbst bei aktuell mäßigen Impfquoten schätzungsweise 400.000 Influenza-Erkrankungen pro Jahr weniger in der Altersgruppe über 60 Jahren. Wenn jemand trotz Impfung erkrankt, ist der Verlauf oft milder. Selbst jetzt kann es für Risikogruppen noch sinnvoll sein, sich impfen zu lassen. Vorausgesetzt, sie bekommen noch Impfstoff, regional gibt es Engpässe.

Ab wann können wir aufatmen?

Wir hatten schon Grippewellen, die bis weit in den April reichten. Im Frühjahr lässt die Aktivität aber deutlich nach. Im Winter 2012/2013 dauerte die Grippewelle 19 Wochen.