Medizinische Forschung: Ist Deutschland ein Land der Egoisten?
Probanden für neue Therapien zu finden, ist in Zeiten von Corona nicht einfach. Doch die Bereitschaft, sich zu engagieren, ist da.

Berlin - Mehr als 7000 Forschungsprojekte weist das Deutsche Register klinischer Studien momentan aus. Darunter eine in Berlin zur Therapie von Herzschwäche, die auch auf digitalem Weg für sich wirbt. Probanden für mehr als 7000 Studien wollen erst einmal gefunden sein, zumal in einer Pandemie.
Ob geeignete Kandidaten zu einer Teilnahme bereit sind, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Wichtig ist die gesellschaftliche Einstellung. In Großbritannien gilt die Bereitschaft als besonders hoch, einen Beitrag für die medizinische Forschung und damit die Allgemeinheit zu leisten. Deutschland belegt im internationalen Vergleich einen Platz im Mittelfeld. Ein Aspekt spielt für hiesige Probanden eine wichtige Rolle: der persönliche Nutzen.
Corona droht die Gesellschaft zu spalten
Ist Deutschland ein Land der Egoisten, in dem gilt: Unterm Strich zähl’ ich? Dagegen spricht die Hilfsbereitschaft, die derzeit die Ukrainer erleben und die an das bürgerliche Engagement 2015 im Angesicht des Syrien-Krieges erinnert. Eine andere Krise verdeutlicht, worauf es in Ausnahmesituationen vor allem ankommt, die Corona-Krise: Sie droht die Gesellschaft zu spalten.
Selbst stark leistungsorientierte Schichten, das ergab eine Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung für Deutschland, richten sich am Gemeinwohl aus. Sie gewichten aber Werte wie Freiheit und Erfolg stärker als andere Milieus. In Krisen kann sich eine individuelle Abwägung zwar den Umständen anpassen. Das aber hängt maßgeblich von Information und Transparenz ab, von Klarheit in der Kommunikation. Und daran mangelte es in der Pandemie.
Gemeinwohl und Eigennutz bedingen einander. Das gilt in Krisen. Das ist auch die Botschaft, die von seriöser klinischer Forschung ausgeht – und hoffentlich auch verstanden wird.