Lausanne-Schweizer Medizintechniker haben einen hauchdünnen Katheter entwickelt, der selbst in winzige Blutgefäße etwa im Gehirn vordringen kann. Dies könne eines Tages die Diagnostik und Therapie etwa von Tumoren, Aneurysmen oder Schlaganfällen verbessern, schreibt das Team um Selman Sakar von der École Polytechnique Fédérale in Lausanne (EPFL) im Fachblatt „Nature Communications“.
Dass das Gefäßsystem den gesamten Körper mit Sauerstoff und anderen Stoffen versorge, biete Ärzten die Chance, viele Regionen mit Kathetern zu erreichen, erläutert das Team. Allerdings blieben bislang viele Areale etwa im Gehirn noch unzugänglich, einerseits weil sie zu fein sind, zudem besteht ein Verletzungsrisiko: Weil Katheter vorgeschoben werden müssen, um den Windungen der Gefäße zu folgen, könnten sie mitunter die Gefäßwand perforieren.
„Große Teile des Gehirns sind unzugänglich, denn die vorhandenen Werkzeuge sind sperrig und es ist extrem schwierig, das winzige verschachtelte Gefäßsystem des Gehirns zu erkunden, ohne das Gewebe zu beschädigen“, wird Sakar in einer Mitteilung der Hochschule zitiert.
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Die Forscher entwickelten nun einen äußerst flexiblen Mini-Katheter, der auf einer neuen Navigationsform beruht. Der Katheter besteht aus biokompatiblem Polymer und ist mit einem Querschnitt von 4 auf 25 Mikrometern (Tausendstel Millimeter) dünner als ein Haar, das im Mittel etwa 70 Mikrometer dick ist. Wird er in ein Blutgefäß injiziert, folgt er der Strömung selbst durch verschlungenste Windungen. Weil er eine magnetische Spitze hat, lässt er sich bei Bedarf computergesteuert mit Magnetfeldern in eine Abzweigung lenken.
Die Forscher navigierten den Katheter sowohl durch künstliche Systeme verschiedener Durchmesser als auch durch die Gefäße eines isolierten Kaninchenohrs zu verschiedenen Zielen. Grundsätzlich ließen sich Messungen etwa von Fließgeschwindigkeit und Temperatur vornehmen, man könne aber auch therapeutische Substanzen etwa ins Gehirn oder in Netzhautgewebe bringen, schreiben die Wissenschaftler.
Katheter noch nicht im Organismus getestet
„Wir können uns vorstellen, dass ein Operationsroboter eine detaillierte Karte des Gefäßsystems, die per MRT oder CT erstellt wird, benutzt, um Geräte autonom an Zielorte zu führen“, erläutert Sakar. In einem Organismus getestet wurde der Katheter bislang noch nicht.
Veit Rohde vom Universitätsklinikum Göttingen spricht von einer sehr interessanten und technologisch cleveren Entwicklung. Anwenden ließe sich der Katheter möglicherweise etwa bei der Chemotherapie von Tumoren, sagt der Direktor der neurochirurgischen Klinik, der nicht an der Studie beteiligt war. „Ich glaube, dass das funktionieren könnte.“ Letztlich aber, so der Experte, müssten mögliche Anwendungen für einen solchen Katheter noch geklärt werden.