Lauterbach will Kinderlose zur Kasse bitten: Das ist ein Schlag ins Gesicht!

Die Pflegeversicherung braucht mehr Geld, besonders für Kinderlose werde sich der Beitragssatz steigern, kündigt der Gesundheitsminister an. Ein Kommentar.

Prof. Karl Lauterbach, Bundesminister für Gesundheit.
Prof. Karl Lauterbach, Bundesminister für Gesundheit.Jens Schicke/imago

„Die Pflegeversicherung braucht mehr Geld“: Eine Aussage von Karl Lauterbach, der ich grundsätzlich zustimme. Allein im vergangenen Jahr belief sich das Defizit der gesetzlichen Pflegeversicherung auf rund 2,2 Milliarden Euro – für das laufende Jahr wird ein weiterer Fehlbetrag von 3 Milliarden erwartet.

Statt dieses Loch mit Steuermitteln – wie es die gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen sowie Sozialverbände fordern – auszugleichen, plant unser Bundesgesundheitsminister den Beitragssatz zu erhöhen. Vor allem Kinderlose sollen zur Kasse gebeten werden, schreibt er auf Twitter:

Und genau das ist für viele ein Schlag ins Gesicht.

Für die meisten Menschen ist es eine bewusste Entscheidung, Kinder zu haben oder nicht. Es gibt aber auch Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen keine Kinder bekommen können, Eltern, die auf tragische Weise ein Kind verloren haben, oder solche, die sich aus anderen Gründen dagegen entscheiden – zum Beispiel, weil sie sexuell missbraucht wurden.

Es geht also im Kern nicht um den Unterschied von ein paar Euro, sondern um das Gefühl der Diskriminierung. Wird nicht gerade heute so viel Wert darauf gelegt, niemanden auszugrenzen oder den Schlips zu treten?

Dabei ist Kinderlosigkeit immer noch ein Thema, welches nicht gerade mit Samthandschuhen angefasst wird. Unreflektierte Aussagen wie „Deine biologische Uhr tickt“, „Will dein Partner oder deine Partnerin keine Kinder?“, „Du wirst es später bereuen, keine Kinder zu haben“ sind gang und gäbe. Die wenigsten machen sich Gedanken darüber, dass nicht jeder über seine intimen Beweggründe sprechen möchte und dass solche zum Teil vehement gestellten Fragen verletzend und übergriffig sein können.

Menschen wie ich, die keine Kinder bekommen können, werden durch diese Regelung doppelt bestraft. Hier hätte ich mehr Fingerspitzengefühl von den Entscheidungsträgern erwartet, allen voran von Karl Lauterbach, der ja sonst immer als einer der Ersten zur Stelle ist, wenn es darum geht, Menschen nicht zu benachteiligen.

Eltern leisten mit der Erziehung von Kindern ihren Beitrag für die Gesellschaft und es muss auf jeden Fall mehr getan werden, um Familien zu entlasten. Damit würde man nicht nur dem Mehraufwand gerecht werden, sondern auch dafür sorgen, dass es sich wieder mehr Menschen finanziell leisten können, Kinder zu haben.

Aber auch Kinderlose tragen auf andere Weise zum Erhalt der Solidargemeinschaft bei: Sie zahlen zum Beispiel den vollen Steuersatz, der unter anderem für Schulen und Kitas verwendet wird, und sie arbeiten in den Haupturlaubszeiten sowie an Weihnachten und anderen Familienfesten. Fakt ist: Wir sind alle aufeinander angewiesen.

Wer aber daran Gefallen findet, Menschen in Kategorien – in diesem Fall „kinderlos“ – einzuteilen, könnte irgendwann auf die Idee kommen, zum Beispiel auch Rauchern oder Menschen mit Übergewicht höhere Beiträge abzuverlangen, um die Kassen zu entlasten.

Aber wollen wir diese Büchse der Pandora wirklich öffnen?!


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