Traurige Träume: Die Corona-Krise verfolgt Menschen bis in den Schlaf

Negative Emotionen tauchen bei Teilnehmern von Studien öfter auf als vor der Pandemie - sie spiegeln die psychische Belastung wider, die bewältigt werden muss.

Unter die Decke und die Anstrengungen des Tages vergessen funktioniert nicht immer.  Studien zeigen, dass Menschen in der Corona-Krise schlechter träumen.
Unter die Decke und die Anstrengungen des Tages vergessen funktioniert nicht immer. Studien zeigen, dass Menschen in der Corona-Krise schlechter träumen.

Berlin-Die Corona-Krise verfolgt viele Menschen auch im Schlaf. Wut und Traurigkeit spielen einer brasilianischen Studie zufolge in Träumen verstärkt eine Rolle. Auch die Sorge vor Ansteckung ist demnach sehr präsent.

Die andauernde Corona-Pandemie habe eine plötzliche Anpassung an ein beispielloses Maß sozialer Isolation erfordert, die Weltbevölkerung habe sich binnen kürzester Zeit auf eine neue Bedrohung und eine neue soziale Realität einstellen müssen, heißt es in dem Beitrag im Fachjournal Plos One. Für die Fähigkeit zur Bewältigung der damit verbundenen emotionalen Belastung spiele Theorien zufolge auch das Träumen eine Rolle.

Bekannt ist, dass Träumen Menschen hilft, negative Eindrücke und Emotionen zu verarbeiten. Zudem nehmen Neurowissenschaftler an, dass geträumte Bedrohungen dafür trainieren, im Ernstfall mit solchen Herausforderungen umgehen zu können. Wir üben demnach quasi im Traum, wie sich mit anstehenden Problemen am besten umgehen lässt. Wiederkehrende Alpträume von bedrohlichen Situationen gelten allerdings als potenzielles Anzeichen einer posttraumatischen Belastungsstörung. Lässt sich aus den Träumen eines Menschen auf dessen psychischen Leidensdruck schließen?

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Um dieser Frage nachzugehen, analysierten die Forscher um Natália Mota von der brasilianischen Bundesuniversität von Rio Grande do Norte in Natal 239 Traumberichte von 67 Menschen, die vor oder während der Corona-Welle im März und April in Brasilien aufgezeichnet wurden. Gesucht wurde jeweils nach einer Reihe bestimmter Schlagwörter. In den Träumen während der Corona-Hochphase spielten demnach Emotionen wie Wut und Traurigkeit eine größere Rolle als zuvor, für Kontamination und Sauberkeit stehende Begriffe kamen in den Aufzeichnungen ebenfalls häufiger vor.

Die Ergebnisse bestätigten die Hypothese, dass Träume psychisches Leid, Angst vor Ansteckung und wichtige Veränderungen im Alltag widerspiegeln, erläutern die Forscher. Die negativen Emotionen spiegelten die höhere emotionale Belastung wider, die verarbeitet werden müsse. «Kontamination» oder «Sauberkeit» umfassende Inhalte in den Träumen wiederum spiegelten die Angst vor Ansteckung wider und seien wahrscheinlich über das imaginäre Durchspielen von Szenarien bei der Erarbeitung von Strategien zur Vermeidung einer Infektion nützlich.

In Kombination seien solche Trauminhalte ein Anzeichen für psychischen Leidensdruck infolge der sozialen Isolation, wie zusätzliche Analysen gezeigt hätten, erläutern die Forscher. «Einige Menschen waren weniger widerstandsfähig als andere, und diese Variation war in den Traumberichten nachweisbar.» Allerdings handle es sich um vorläufige Hinweise, wegen der geringen Zahl an Studienteilnehmern und anderen Einschränkungen müssten weitere Analysen zur Bestätigung folgen.

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Bereits zuvor hatten Studien gezeigt, dass die Pandemie sowohl den Schlafrhythmus als auch den Inhalt von Träumen beeinflusst. So beschrieben für eine in der Fachzeitschrift Frontiers in Psychology veröffentlichte Studie mehrere Hundert Freiwillige Forschern der Universität Helsinki Träume etwa von verlorenen Pässen und Umarmungen, die wegen der Abstandsregeln als Fehlverhalten empfunden wurden. Viele Finnen gaben an, häufiger Alpträume gehabt zu haben als zuvor.

Einer im Fachjournal Dreaming veröffentlichten US-Studie zufolge gaben knapp 30 Prozent der rund 3000 Befragten an, sich in der Corona-Krise verstärkt an ihre Träume zu erinnern. 15 Prozent erlebten schlechtere Träume - 8 Prozent aber bessere. Je mehr die Befragten von der Pandemie betroffen waren, desto unangenehmer wurden ihre Träume. Bei Alpträumen mit konkretem Corona-Bezug ging es am häufigsten um Maßnahmen und die Angst vor der Krankheit.

„Wir passen uns an diese Krise an, so wie Träume uns auch allgemein helfen, mit Krisen besser fertig zu werden“, hatte die Wiener Psychologin und Traumforscherin Brigitte Holzinger zu den Ergebnissen erklärt. (dpa/fwt)