Erster Fall in Deutschland: Das sagen Experten zur Gefahr durch Affenpocken

Das Virus tritt in immer mehr Ländern auf. Wissenschaftler sprechen bereits von einer Epidemie, rechnen aber nicht mit einer langen Dauer.

Eine Laborantin arbeitet im Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München. Dort wurde der erste deutsche Fall von Affenpocken am Freitag bestätigt.
Eine Laborantin arbeitet im Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München. Dort wurde der erste deutsche Fall von Affenpocken am Freitag bestätigt.dpa/Bühler

Die Affenpocken haben Deutschland erreicht. Am heutigen Freitag wurde der erste Fall bekannt. Das Virus wurde bei einem aus Brasilien stammenden 26-Jährigen festgestellt. Er war von Portugal über Spanien nach Deutschland eingereist und hält sich seit etwa einer Woche in München auf. Zuvor ist er in Düsseldorf und Frankfurt am Main gewesen. Der Patient wurde in einer Münchner Klinik isoliert.

„Wir hatten in Europa bisher noch keine größeren Ausbrüche von Affenpocken, daher ist die aktuelle Entwicklung ungewöhnlich“, sagt Charlotte Hammer, die am Downing College Cambridge zu neu auftretenden Infektionskrankheiten forscht. „Zuvor waren Affenpocken-Fälle in Europa in der Regel sehr sporadisch und mit Reiserückkehrern aus zum Beispiel Nigeria assoziiert.“ Rund 1500 Meldungen gab es zu dem Virus bislang. Die Forschung diesbezüglich sei unterfinanziert und unterrepräsentiert, so Hammer.

Wenig bekannt ist darüber, wie Affenpocken übertragen werden. Die Cambridge-Forscherin sagt: „Basierend auf dem jetzigen Wissenstand, wonach es sich bei den aktuellen Fällen um die westafrikanische Version der Affenpocken handeln soll, ist davon auszugehen, dass die Übertragung über engen körperlichen Kontakt wie zum Beispiel über Körperflüssigkeiten oder Kontakt mit Hautausschlag erfolgt, aber auch Schmierinfektion auf Oberflächen sind möglich.“

Darauf deuten auch Meldungen aus Spanien hin. Von insgesamt 53 bestätigten und Verdachtsfällen wurden 40 in Madrid registriert. Als einen möglichen Ansteckungsort hätten die Behörden in Madrid eine Sauna identifiziert.

„Größerer Ausbruch von Affenpocken eher unwahrscheinlich“

Wie rasch sich das Virus in Europa ausbreitet, vermag Hammer noch nicht abzuschätzen. „Weitere Fälle sind allerdings zu erwarten. Wenn die Übertragungswege, wie bisher vermutet, über engen Körperkontakt erfolgen, ist ein größerer Ausbruch aber eher unwahrscheinlich.“

Fabian Leendertz sieht bereits den Tatbestand einer Epidemie erfüllt. Der Gründungsdirektor des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) in Greifswald geht jedoch nicht davon aus, dass sie lange dauern wird. „Die Fälle sind über Kontaktverfolgung gut einzugrenzen und es gibt auch Medikamente und wirksame Impfstoffe, die gegebenenfalls eingesetzt werden können“, so der Wissenschaftler, der am Robert-Koch-Institut in Berlin die Projektgruppe „Epidemiology of Highly Pathogenic Microorganisms“ leitet.

Von kurzen Infektionsketten, die sich leicht durchbrechen lassen, spricht auch Virologe Gerd Sutter von der Universität München. Das Virus werde meist von Wildtieren übertragen. „Übertragungen von Mensch zu Mensch sind möglich und erfordern in der Regel direkten Kontakt zu Infizierten“, hält der Professor fest. Eine Übertragung durch Aerosole spiele aber bei der natürlichen Infektion kaum eine Rolle. Fazit: „Übertragungen der Affenpocken sind daher im Vergleich zu anderen Infektionen wie zum Beispiel Influenza oder Covid-19 relativ ineffizient und führen in Verbindung mit adäquaten Maßnahmen zur Diagnose und Kontaktermittlung meist nur zur Ausbildung kurzer Infektionsketten.“

Infektiologe Leif Sander von der Charité sieht mit den inzwischen deutlich über 100 Fällen weltweit, in denen der Verdacht auf Affenpocken vorliegt oder bestätigt ist, eine ungewöhnlich dynamische Situation. „Bei der langen Inkubationszeit rechne ich mit einer weiteren deutlichen Zunahme der Fälle“, schrieb er auf Twitter. Wie die Kollegen Hammer, Leendertz und Sutter rechnet auch der Berliner Professor mit einem begrenzenten Infektionsgeschehen. „Es ist sehr ernst zu nehmen, aber wir sind vorbereitet.“

Dem Patienten in München geht es laut behandelndem Arzt den Umständen entsprechend gut. Der Brasilianer habe mit leichten Schluckstörungen und erhöhter Temperatur nur geringfügige Symptome und brauche noch keine speziellen Medikamente.