Warum die DDR schuld dran ist, dass es im Osten so wenige Osterhasen gibt
Im Westen leben fast dreimal so viele Feldhasen pro Quadratkilometer wie im Osten. Das hat historische Gründe – auch wenn der Mauerfall 30 Jahre her ist.

Berlin-Zeitungsleser, die Leserbriefe schreiben, haben immer recht. Sie haben etwas gelesen, das sie erheitert, aufregt, wütend macht oder beglückt. Wer Leserbriefe schreibt, denkt mit. Leider finden sie auch jeden Fehler. Deshalb kann jeder Brief in der Redaktion auch für Frust sorgen, weil er zeigt, dass wir einen Fehler übersehen haben. Vor einigen Jahren habe ich einen kapitalen Fehler gemacht, der übersehen wurde. Ich habe geschrieben: „In Deutschland leben durchschnittlich zwölf Feldhasen pro Quadratmeter.“ Natürlich hätte es Quadratkilometer heißen müssen.
Prompt kamen vier Leserbriefe. Aber niemand meckerte. Alle beschrieben, wie sie mit der Zeitung am Frühstückstisch saßen und den Fehler lasen. Wie sie aus dem Fenster schauten und sich vorstellten, wie dort auf jedem einzelnen Quadratmeter zwölf Hasen hockten, dicht gedrängt bis zum Horizont – wie Kaninchen in einem viel zu engen Stall.
Scheinbar hat selten ein Fehler so viel Freude bereitet. Die Sache fällt mir immer kurz vor Ostern ein, wenn die aktuellen Hasenzahlen bekannt gegeben werden: Derzeit leben bundesweit 16 pro Quadrat-kilo-meter.
Die Fachleute sagen, dass es seit drei Jahren aufwärtsgeht. Das lag auch an der Trockenheit oder gar Dürre, denn Hasen mögen keine Kälte und Nässe im Sommer.
Dramatisch sind aber weiterhin die Zahlen im Osten. Nach Angaben des Thünen-Instituts leben in Brandenburg nur sechs Hasen pro Quadratkilometer. Der Wert ist seit einigen Jahre stabil und sorgt dafür, dass der Osten nicht noch schlechter dasteht. In Sachsen sind die Zahlen noch niedriger.
Die Gründe haben mit der DDR zu tun: Dort regierten die großen Genossenschaften in der Landwirtschaft und betrieben extragroße Felder, weil die leichter mit großen Maschinen zu bearbeiten waren. Auch heute sind die Felder im Osten etwa dreimal größer als im Westen. Und Hasen mögen keine Monokulturen, sondern Abwechslung. Sie suchen nach der „Hasen-Apotheke“, nach Feldrändern voller bunter Kräuter, die ihre Muttermilch schön reich an Eiweißen machen. Doch im Osten gibt es viel weniger solche Schlamperecken an den Feldern, deshalb ist die Zahl der Hasen niedriger.
Auch wenn wir einige Leser an dieser Stelle erschrecken sollten, müssen wir ein Geheimnis verraten. Wir bitten darum, auf Beschwerdebriefe zu verzichten. Hier also die Wahrheit: Die Hasen bringen die Ostereier gar nicht. Das bedeutet, dass Sie, liebe Leser, Ihr Fest in aller Ruhe feiern können, egal wie wenige Hasen es bei Ihnen gibt. Diese Wahrheit bedeutet aber auch, dass Sie die Eier selbst kaufen müssen, färben und verstecken. Viel Zeit bleibt dafür nicht mehr.