Größte Dürre seit 250 Jahren: Europa muss sich gegen Trockenheit wappnen
Die Jahre 2018 bis 2020 gehörten zu den trockensten und heißesten überhaupt, sagen Forscher in einer Studie. Sie empfehlen, Wassermangel regional zu bekämpfen.

Seit Mitte des 18. Jahrhunderts sei in Europa keine Dürre so heftig gewesen wie die von 2018 bis 2020, schreiben Forscher in einer neuen Studie. Das betreffe die betroffene Fläche, die Dauer sowie den Temperaturanstieg während der Dürreperiode. Die Wissenschaftler empfehlen dringend, geeignete, regional angepasste Maßnahmen gegen die Wasserknappheit zu entwickeln.
„Die Dürreperiode 2018 bis 2020 ist die neue Benchmark für Dürren in Europa“, sagt Oldrich Rakovec, Hauptautor der Studie, die im Journal Earth’s Future der American Geophysical Union erschienen ist. Der Umweltmodellierer arbeitet am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig. An der Studie wirkten acht Wissenschaftler mit – vom UFZ und der Tschechischen Universität für Lebenswissenschaften in Prag.
Das Forscherteam hat in Langzeitsimulationen die historischen Dürren im Zeitraum von 1766 bis 2020 rekonstruiert. Dafür nutzte es das hydrologische Modellsystem mHM, das am UFZ entwickelt wurde. Aus den verfügbaren Daten zu Temperaturen und Niederschlägen modellierten die Forscher die Bodenfeuchte.
Eine Dürre zeigt sich im Rückgang der Bodenfeuchte bis in zwei Meter Tiefe
„Durch den Vergleich der Bodenfeuchte mit dem langjährigen Erwartungswert lässt sich der Bodenfeuchteindex berechnen und der Dürrezustand auch in der Rückschau ermitteln“, heißt es in der Mitteilung des UFZ zu der Studie. Auch Daten über die Ernteerträge wurden dabei einbezogen. Was hier vereinfacht klingt, ist ein kompliziertes System von Klimamodellen und Korrekturmethoden, für Fachleute in der Studie im Detail dargestellt.
Für ihre Dürre-Definition rekonstruieren die Wissenschaftler die Bodenfeuchte bis in eine Tiefe von zwei Metern. Um von einer Dürre zu sprechen, müsse hier die aktuelle Bodenfeuchte unter den Wert fallen, der nur in 20 Prozent der untersuchten Jahre erreicht werde, wie es in der Mitteilung heißt.
„Wir identifizierten das Dürreereignis 2018–2020 als neuen Maßstab mit einer beispiellosen Intensität“, schreiben die Forscher im Fazit zu ihrer Studie. So habe die Dürre zwischen 2018 und 2020 etwa 36 Prozent der Landfläche Europas betroffen, vor allem in Zentraleuropa wie Deutschland, Frankreich und Tschechien. „Kein anderes Dürreereignis in den vergangenen mehr als 250 Jahren hatte eine so große räumliche Ausdehnung wie dieses“, sagt Oldrich Rakovec.
Und auch die Gesamtdauer der Dürre sei mit 33 Monaten außergewöhnlich gewesen. Sie habe im April 2018 begonnen und im Dezember 2020 vorerst geendet. Nur die Dürre zwischen 1857 und 1860 habe mit insgesamt 35 Monaten etwas länger gedauert.
Die Dürren der Vergangenheit hatten eher niedrigere Temperaturen
Die Forscher teilten Europa auch in Raster auf – sogenannte Gitterzellen in einer Größe von 50 mal 50 Kilometern. Die Länge der Dürre unterscheidet sich hier von der Gesamtdauer, „weil sich ein Dürreereignis dynamisch über Raum und Zeit entwickelt, also an einer Stelle beginnt, sich dann weiterentwickelt und schließlich eventuell an anderer Stelle endet“, wie es heißt. Doch auch in diesen einzelnen Gitterzellen habe sich die Dürre auffallend lange gehalten – im Durchschnitt zwölf Monate. Lediglich die Dürre von 1857 bis 1860 dauerte der Studie zufolge mit einem Mittel von 13 Monaten länger.
Doch etwas kommt hinzu, das die Dürre von 2018 bis 2020 bisher einmalig macht, im Zusammenspiel mit den anderen Faktoren: die Hitze. „Die Dürren in der Vergangenheit waren eher kalte Dürren, bei denen sich die durchschnittliche Temperatur kaum veränderte“, sagt Rohini Kumar, Co-Autor der Studie. Doch während der Dürreperiode von 2018 bis 2020 habe der Anstieg der Lufttemperatur in Europa einen „historischen Rekordwert“ erreicht, „plus 2,8 Grad Celsius im Vergleich zur jährlichen Durchschnittstemperatur in den vergangenen 250 Jahren in Europa“. Ausbleibende Niederschläge und Hitze kamen also zusammen. Wodurch noch mehr Wasser verdunstete als bei „kalten Dürren“. Mit gravierenden Auswirkungen in den Jahren 2018, 2019 und 2020.
Wiesen und Äcker verdorrten, Bäche und Seen trockneten aus, viele Bäume in den Wäldern starben ab. Kraftwerke mussten abgeschaltet werden, weil ihnen das Kühlwasser ausging. Die Ernten gingen deutlich zurück: beim Mais zum Beispiel in den Benelux-Ländern, Deutschland und Frankreich zwischen 20 und 40 Prozent. Beim Weizen gab es in Deutschland Ernteverluste von bis zu 17,5 Prozent und bei der Gerste in nahezu ganz Europa bis zu zehn Prozent.
Bis heute wirken die Folgen der Dürre von 2018 bis 2020 nach
Die Folgen jener Jahre sind zum Beispiel im Raum Berlin-Brandenburg noch immer zu spüren. Denn die Dürre bis in eine Bodentiefe von zwei Metern habe sich auch 2021 und in den bisherigen Monaten von 2022 fortgesetzt. „Das Jahr 2021 war zwar etwas feuchter und hat den für die Landwirtschaft wichtigen Oberboden gut mit Wasser versorgt, die Feuchtigkeit ist aber nicht überall bis in größere Tiefen vorgedrungen “, sagt der UFZ-Modellierer Oldrich Rakovec.
Welchen Ausblick geben die Forscher für die Zukunft? Auch dazu gibt es Modellsimulationen. Sie legen nahe, dass Europa auf Ereignisse von vergleichbarer Intensität wie von 2018 bis 2020 vorbereitet sein sollte, möglicherweise noch länger dauern. Wie es sich konkret entwickeln werde, hänge von der Erderwärmung ab.
Bei ungebremster Fortsetzung des Ausstoßes von Treibhausgasen bis 2100 – so schreibt das Forscherteam – könnte die mittlere Dauer einer Dürre mehr als 200 Monate betragen, und bis zu 70 Prozent von Europa könnten betroffen sein. Bei einem moderaten Anstieg könnte eine Dürre bis zu 100 Monate dauern. Betroffen wären etwa bis zu 50 Prozent der Flächen Europas.
Man muss regional spezifisch auf den Wassermangel reagieren
„Die politischen Entscheidungsträger sollten darauf vorbereitet sein, dass die Dürreperioden in Zukunft noch viel stärker ausfallen könnten“, sagt Luis Samaniego, Mitautor des Papers und Leiter der Arbeitsgruppe Landoberflächen-Hydrologie am UFZ. „Vor allem für die Agrarpolitik sollte das ein Weckruf sein, sich mit geeigneten Maßnahmen gegen den drohenden Wassermangel auseinanderzusetzen.“
Man müsse regional spezifisch reagieren, meint der Wissenschaftler – etwa durch das Anlegen großer Wasserreservoirs wie unterirdischer Speicheranlagen, durch intelligente Formen der Bewässerungstechnologie oder die Züchtung hitzeresistenterer Pflanzensorten. Wie die Forscher in ihrem Fazit schreiben, unterstreiche ihre Studie „die dringende Notwendigkeit von Anpassungs- und Minderungsstrategien, um mit solchen mehrjährigen Dürreereignissen in ganz Europa fertig zu werden“.