Großflughafen: Umweltminister Platzeck und BBF massiv in der Kritik: Schönefeld gezielt benachteiligt?

Berlin/Potsdam. Neue Gutachten sollen Aufschluß darüber geben, ob beim Raumordnungsverfahren für den neuen Großflughafen Berlin Brandenburg International (BBI) getrickst wurde.Am 17. November 1994 verkündete Brandenburgs Umweltminister Matthias Platzeck (parteilos) das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens (ROV), das die Standorte Jüterbog, Schönefeld-Süd und Sperenberg auf ihre jeweilige Tauglichkeit für Bau und Betrieb eines neuen Großflughafens (BBI) abgeklopft hatte. Das Ergebnis war eindeutig: leichte Vorteile für Jüterbog, bei entsprechenden Ausgleichsmaßnahmen aber auch gute Chancen für Sperenberg. Nur das Berlin-nahe Schönefeld war aus dem Rennen. Platzecks vernichtendes Fazit: Für den Betrieb eines Großflughafens sei Schönefeld schlicht "ungeeignet". Herbe Schelte Doch mittlerweile hat Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) gravierende Zweifel, ob das Platzeck-Votum mit rechten Dingen zustande kam. Ausschlaggebend dafür: Ein Bericht des Bundesrechnungshofs vom 20. Dezember, der der Berliner Zeitung vorliegt. Darin heißt es wörtlich:"Der Bundesrechnungshof hat festgestellt, daß der Standort Schönefeld-Süd in das alle drei Standorte vergleichende Raumordnungsverfahren nicht chancengleich einging, da er hinsichtlich Fluglärmbelästigung und Schienenanbindung nachteilig dargestellt wurde."Ausschlaggebend für diese Benachteiligung sind nach Ansicht der Rechnungsprüfer die landesplanerischen Eigeninteressen Brandenburgs. Schönefeld werde zu negativ bewertet, weil ein Großflughafen hier"in bisher strukturschwachen Regionen des Landes Brandenburg nicht die gewünschten Verkehrssysteme schafft" und "die schnelle Beseitigung der militärischen Altlasten an den Standorten und ehemaligen Truppenübungsplätzen Jüterbog-Ost und Sperenberg nicht fördern würde."Diverse Ungereimtheiten in der Entscheidungsvorlage, die die Geschäftsführung der Flughafen-Holding BBF im Februar ihrem Aufsichtsrat zuleitete, scheinen den Befürchtungen der Rechnungsprüfer recht zu geben. Danach sprechen ausgerechnet land- und forstwirtschaftliche sowie Tourismus-Interessen gegen Schönefeld, weil hier 107 Hektar Boden umgewidmet werden müßten. In Sperenberg müßten demgegenüber 1 605 Hektar Wald für den Großflughafen gerodet werden. Dennoch hält Umweltminister Platzeck dies für durchaus "vereinbar" mit den Interessen des Landschaftsschutzes. Die überhaupt noch nicht erkundeten militärischen Altlasten Sperenbergs hingegen, die laut Luftverkehrsgesetz eine Eignung des Geländes für die Zivilluftfahrt grundsätzlich in Frage stellen, wertet er als unproblematisch.Auch wirtschaftliche Aspekte sind laut Rechnungshof im ROV zu kurz gekommen: "Mit einem stadtnahen Standort könnten höhere Wirtschaftlichkeit und Beschäftigung bewirkt werden." Diesen Vorteil Schönefelds beziffern die Prüfer auf bis zu 500 Millionen Mark pro Jahr. Was auch die BBF-Geschäftsführung einräumt: In Schönefeld entstünden gut 7 000 flughafennahe Arbeitsplätze mehr als in Sperenberg. Zwar kam auch Platzeck nicht um die Erkenntnis herum, daß ein Berlin-naher Flughafen "höhere Arbeitsplatzwirkungen erzeugt als ein berlinferner Standort". Aber: Dies entspreche "nur in geringem Maß den Erfordernissen der Raumordnung und Landesplanung". Im Klartext: Schönefeld paßt nicht ins Potsdamer Entwicklungsleitbild der "dezentralen Konzentration". 689 Millionen Mark Die BBF-Geschäftsführung räumt auf Nachfrage unumwunden ein, daß bei ihren Großflughafen-Visionen das Potsdamer Landesentwicklungsmodell Pate gestanden hat. Diese Planungsvorgabe nämlich weist zwei entscheidende betriebswirtschaftliche Vorteile auf: In Sperenberg sind die Grundstücke weitgehend in öffentlicher Hand, wären also für einen Spottpreis zu haben. Zudem könnte die BBF bei einer Pro-Sperenberg-Entscheidung die chronisch-defizitäre eigene Kasse entscheidend aufbessern: Der Verkaufserlös der Schönefeld-Flächen wird von Gutachtern auf exakt 689 Millionen Mark taxiert. Der Bundesrechnungshof nimmt denn auch die BBF-Geschäftsführung selbst ins Visier: Die habe auf dem bestehenden Flughafen Schönefeld-Nord "freiwillig den uneingeschränkten 24-Stunden-Betrieb abgeschafft, den sie selbst für einen möglichen BBI-Standort fordert".Fazit der Prüfer: Sie empfehlen dem Bundesverkehrsminister, notfalls per Weisung dafür Sorge zu tragen, daß die landesplanerischen Interessen Brandenburgs sowie das betriebswirtschaftliche Kalkül der BBF bei der Großflughafenplanung nicht allzu sehr ins Kraut schießen. +++