Grüne halten bisherigen Zeitplan für neuen Airport in Schönefeld für unrealistisch / Kritik an niedrigem Übernahmeangebot der Investoren: "Wenn der Flughafen 2010 in Betrieb geht, dann ist Berlin gut"
Die Planung für den Bau des Großflughafens Berlin-Brandenburg in Schönefeld gerät erneut durcheinander: Der Senat, aber auch die beiden anderen Gesellschafter der Berlin Brandenburg Flughafenholding (BBF) lehnen das Angebot des Bieterkonsortiums aus IVG und Hochtief ab, die für die Übernahme und den Bau des Flughafens nur noch 50 Millionen Mark investieren wollen. "Das Angebot ist unseriös", hieß es am Montag in Senatskreisen. Offiziell wollte keiner der Gesellschafter Stellung nehmen, da das Privatisierungsangebot selbst noch nicht offiziell vorliegt."Ein solches Angebot ist nicht verhandelbar", sagte der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Christian Gaebler, am Montag. Der Senat dürfe sich nicht von einem einzigen Anbieter abhängig machen. Auch der Verkehrsexperte der Grünen, Michael Cramer, wies darauf hin, dass die IVG vor wenigen Jahren noch 350 Millionen Mark für den Flughafen zahlen wollte. Damals konkurrierte das Konsortium aber auch noch mit dem Hochtief-Konsortium, das den Großflughafen in eigener Regie bauen wollte. Hochtief bot in dieser ersten Runde sogar 650 Millionen Mark als Privatisierungspreis. "Nun bilden IVG und Hochtief ein Konsortium und unterbreiten ein unsittliches Angebot", sagte Cramer. Für die Flughafen-Gesellschafter ist das Angebot erneut ein Schlag ins Gesicht, zumal die Zweifel an dem Sinn des Großflughafens in Schönefeld immer größer werden. Erst am vergangenen Freitag mussten die Gesellschafter Berlin, Brandenburg und der Bund eine Niederlage vor Gericht hinnehmen. Das Oberverwaltungsgericht Frankfurt (Oder) erklärte die gemeinsame Landesplanung für Schönefeld für nichtig und gab damit der Klage von sechs Anliegergemeinden Recht. Während die Flughafengegner nun hoffen, den Standort Schönefeld für den Großflughafen ganz kippen zu können, wollen Berlin und Brandenburg von einem Scheitern des Großprojekts nichts wissen. Man müsse nur das Planungsrecht nachbessern, hieß es in Regierungskreisen.Das niedrige Kaufangebot erschwert die Situation zusätzlich. Um den Ausbau des Großflughafens nicht zu gefährden, überlegen die Gesellschafter nun, die BBF und damit den Großflughafen doch noch nicht zu privatisieren. Die Alternative wäre, den Großflughafen nach Abschluss des so genannten Planfeststellungsverfahrens selbst zu bauen. Das heißt: mit öffentlichen Geldern zu finanzieren. Nach bisherigen Berechnungen kostet der Ausbau zwischen sechs und sieben Milliarden Mark - Geld, das bislang weder der Senat noch die brandenburgische Landesregierung und der Bund aufbringen wollten.Doch wenn sich die Gesellschafter nicht von dem Bieterkonsortium unter Druck setzen lassen wollen, muss der Großflughafen nun von der öffentlichen Hand finanziert werden. Dies ist nach Ansicht der neuen rot-grünen Landesregierung auch möglich - trotz der desaströsen Finanzlage Berlins und trotz der Tatsache, dass auch Brandenburg und der Bund keine Milliarden Mark übrig haben. "Auch Hochtief und die IVG müssten sich das Geld von der Bank leihen", sagte der Grünen-Abgeordnete Cramer. Weil die Länder und der Bund bei den Banken günstigere Kredite als ein privates Unternehmen erhielten, könne der Bau auf diese Weise finanziert werden. Parallel zu dem Ausbau oder nach seinem Abschluss könne man den Großflughafen dann erneut zur Privatisierung ausschreiben, sagte Cramer. "Dann hätten wir auch wieder einen richtigen Wettbewerb und nicht nur einen Anbieter." Völlig offen ist, wann der Großflughafen in Betrieb gehen wird. Der SPD-Abgeordnete Gaebler hält an dem Termin 2007 fest, will aber eine Verschiebung um ein Jahr nicht ausschließen. Der Termin 2007 ist nicht zu halten, sagte dagegen der Grünen-Abgeordnete Michael Cramer. "Wenn der Flughafen 2010 in Betrieb geht, ist Berlin gut."Beschwerden, Streit und Prozesse // Im Mai 1991 wird mit der Gründung der Berlin Brandenburg Flughafenholding GmbH (BBF) das Projekt für den Großflughafen Berlin Brandenburg gestartet. Berlin und Brandenburg halten je 37 Prozent an der Gesellschaft, die Bundesregierung 26 Prozent.Im Mai 1994 wird das Raumordnungsverfahren eröffnet.Im Juni 1996 beschließt die BBF den Ausbau des Flughafens Schönefeld zum neuen Großflughafen. Die Standorte Sperenberg und Jüterbog Ost scheiden als Varianten aus. Der so genannte Konsensbeschluss sieht vor, dass Schönefeld weitestgehend von privaten Investoren gebaut werden soll. Die Flughäfen Tegel und Tempelhof sollen geschlossen werden - Tempelhof schon 2003.Im September 1996 wird die Projektplanungsgesellschaft Schönefeld (PPS) gegründet. Sie soll die Airport-Planung vorbereiten.Im Juni 1998 reichen zwei Konsortien ihre Angebote zur BBF-Privatisierung und zur Privatfinanzierung des Großflughafens Berlin Brandenburg International (BBI) ein. Das eine Konsortium wird von Hochtief AirPort GmbH geführt, das zweite von der IVG Holding AG.Im Oktober 1998 entscheiden sich die drei Gesellschafter für das Hochtief-Konsortium als "bevorzugten Bieter". Zu dem Konsortium zählen auch die Flughafen Frankfurt AG, die ABB Calor Schaltanlagen AG und die Bankgesellschaft Berlin.Im Januar 1999 legt die im Bieterverfahren unterlegene IVG Beschwerde gegen das Vergabeverfahren ein.Im März 1999 unterzeichnen Berlin, Brandenburg und der Bund einen Privatisierungsvertrag mit Hochtief.Im Mai 1999 wird die Beschwerde des IVG-Konsortiums von dem Brandenburger Vergabeüberwachungsausschuss abgelehnt. Das Konsortium wendet sich nun an den Kartellsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Brandenburg.Im August 1999 bezeichnet das OLG Brandenburg das Vergabeverfahren als rechtswidrig. Das Gericht fordert, dieses teilweise neu aufzurollen. Es moniert personelle Verflechtungen zwischen dem Hochtief-Konsortium als Bieter und der Auftraggeberseite. Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Hochtief-Vertreter wegen Betrugsverdachts.Im Februar 2000 schließen die BBF-Gesellschafter das Hochtief-Konsortium von der Privatisierung aus. Verhandelt wird nur noch mit der IVG.Im April 2000 stellt die Staatsanwaltschaft die Ermittlungsverfahren gegen Hochtief ein.Im August 2000 legt Hochtief Beschwerde gegen den Ausschluss vom Großflughafen-Bau ein.Im Oktober 2000 bezeichnet das OLG Brandenburg die Beschwerde von Hochtief gegen den Ausschluss als "zulässig und begründet". Das Gericht rät den Parteien zu einer außergerichtlichen Einigung.Im November 2000 schließen sich IVG und Hochtief zu einem Konsortium zusammen. Sie erarbeiten seitdem ein gemeinsames Konzept für den Flughafen und ein Angebot für den Bau und die Übernahme des Airports. Dieses liegt noch nicht offiziell vor.Im Juni 2001 beginnen die öffentlichen Erörterungen der Einwendungen gegen den Großflughafen im Rahmen des so genannten Planfeststellungsverfahrens.HENRIK POHL Noch hält Berlin an dem Ziel fest: Der Flughafen Schönefeld soll zum Großflughafen ausgebaut werden.