Hansa Rostocks Tjikuzu kämpft mit Alkoholproblemen: Wenn ein Talent ins Torkeln gerät
BERLIN, 5. März. Am liebsten würden sie alle nicht mehr darüber reden. Handelt es sich doch nur um "ein außersportliches Problem", wie Juri Schlünz, der Trainer des FC Hansa Rostock, sagt: "Wir sollten das als abgeschlossen betrachten." Unruhe könne nur schaden vor dem Heimspiel am Sonnabend gegen den Hamburger Sportverein. Schwamm drüber? Das wäre auch im Sinne von Flügelspieler Razundara Tjikuzu, der ungern redet über "die dumme Geschichte", wie er jene folgenreiche Autofahrt am Tag nach dem letzten Heimspiel gegen Hannover 96 nennt. Am helllichten Sonntag, um 16.30 Uhr, hatte der Profi beim Spurwechsel einen anderen Wagen touchiert und Fahrerflucht begangen. Die Polizei stellte später 2,14 Promille in seinem Blut fest. Tjikuzu erwartet ein Strafverfahren und eine Geldstrafe seines Arbeitgebers, dessen Vorstandschef Manfred Wimmer den "großen Imageschaden" beklagt, den der Mittelfeldmann dem Verein zugefügt habe. Ansonsten ist für Hansa der Fall erledigt. Nachfragen sind offenbar unerwünscht. "Wollen Sie vielleicht andeuten, dass der Spieler ein Alkoholproblem hat?", reagiert Schlünz gereizt: "Tjikuzu sagt, er habe seine Lehren daraus gezogen. Stimmt das nicht, wird er wohl nicht mehr lange in der Bundesliga spielen." Hansa hat dem 24-Jährigen im Wiederholungsfall den Rauswurf angedroht. Ebenso ist es Tjikuzu bereits in Bremen ergangen. Auch bei Werder war immer wieder Alkohol im Spiel. Weshalb selbst der für seine Gemütsruhe bekannte Trainer Thomas Schaaf nicht länger zuschauen wollte. "Er hat keine profihafte Einstellung", sagte Schaaf nach einer langen Liste von Vorfällen: Mehr als zehn Mal soll Tjikuzu binnen zwei Jahren angetrunken zum Training erschienen sein. Einsatz eines PsychologenDokumentiert ist, dass er mindestens ein Training nach Alkoholeskapaden versäumte und ein Punktspiel schwänzte. 25 000 Euro an Geldstrafen soll er in zwei Jahren bezahlt haben. "Tjikuzu verschleudert sein Talent", lautete das Urteil von Werder-Manager Klaus Allofs. Sie konnten Tjikuzu nicht helfen, aber die Bremer hat dieser Fall nachdenklich gestimmt. Mit 16 Jahren war der Namibier ins Werder-Internat gekommen und mit der neuen Umgebung offenbar überfordert. Nach der Trennung von seiner Freundin und dem gemeinsamen Kind soll Tjikuzu seinen Frust noch öfter als üblich ertränkt haben, erzählen sie in Bremen. Seit eineinhalb Jahren beschäftigt nun der SV Werder mit Uwe Harttgen, 39 - ein ehemaliger Profi, der Psychologie studiert hat - einen seelischen Beistand für seine Talente. Zu Tjikuzu, mit dem er einst noch zusammen gespielt hat, will Harttgen sich nicht äußern, nur so viel: "Er hat nie über seine Probleme gesprochen." Laut Harttgen stoßen die Vereine vor allem bei Spielern aus fremden Kulturen oft an ihre Grenzen: "Schon im Nachwuchs- und erst recht im Profibereich geht es nur um den Sportler, viel zu selten um den Menschen. Die Klubs können die Probleme, die sich aus der fremden Mentalität ergeben, nicht ausgleichen." So mancher flüchte dann zu Alkohol und anderen Drogen: "Der Fußball ist auch nur ein Spiegelbild der Gesellschaft." Ob die Klubs nicht in der Pflicht sind, einem wie Tjikuzu zu helfen? "Das kann sein", bleibt der Psychologe unverbindlich. Der SV Werder ist laut Harttgen der einzige Bundesligist, der sich überhaupt einen pädagogisch-psychologischen Mitarbeiter wie ihn leistet. Ein heikles FeldAlkohol im Profifußball ist ein Thema im Verborgenen. Nur selten werden Fälle öffentlich. Wie einst die Eskapaden des Uli Borowka oder, vergangene Saison, das Torkeln des Hannoveraners Jiri Stajner über den Trainingsplatz. Über die künstliche Leber von George Best ist viel geschrieben worden, auch über den Suff der Helden von einst, Stan Libuda und Helmut Rahn. Aber letztlich wird das heikle Feld nur ungern betreten. Auch bei der Vereinigung der Vertragsspieler. "Gerne über jedes andere Thema, nur nicht über dieses" möchte VdV-Geschäftsführer Jörg Albracht sprechen. Um es dann doch zu tun. Viele Kicker seien überfordert mit ihren Sorgen abseits des Platzes und würden von den Vereinen allein gelassen, weshalb Alkoholmissbrauch häufiger vorkomme: "Wir haben auch schon betroffenen Spielern Therapien vermittelt", sagt Albracht. Sein Rat an Tjikuzu: "Hilfe könnte nichts schaden. Er kann gerne zu uns kommen, der Mitgliedsbeitrag ist nicht teuer." Aber in Rostock sind sie ja der Ansicht, das Thema habe sich von selbst erledigt.Foto: "Er hat seine Lehren daraus gezogen", sagt Trainer Schlünz über Tjikuzu (r. ).