Heinz Berggruen stellte sein neues Buch vor: Wer war denn nur dieser Herr Schaften?

Wohl nie nach dem Zweiten Weltkrieg konnte ein Neu-Berliner die gesamte Stadt so rasch für sich einnehmen wie Heinz Berggruen: Ein Berliner ist nach der Emigration nach Amerika und einer Kunsthändler-Karriere in Paris in die Heimatstadt zurückgekehrt, hat eine der weltbesten Sammlungen der klassischen Moderne mitgebracht und deren Ankauf durch Bund und Land möglich gemacht. Berggruen zog zu seinen Bildern in den Stülerbau am Charlottenburger Schloss und pflegt dort einen engen Kontakt zu den Besuchern. Vor allem aber erforscht er seit seinem Zuzug 1996 wieder Berlin, sucht die Stätten seiner Kindheit auf und beobachtet die tief greifenden Veränderungen seit seiner Emigration. Hier kommt eine notorische Neugierde zum Vorschein, eine journalistische Neigung, die die ersten Etappen seiner Laufbahn bestimmte. In seinen Lebenserinnerungen sowie einem unlängst erschienenen Band mit seinen frühen Feuilletons kann man sich von seinem schriftstellerischen Talent überzeugen.Im Stülerbau stellte Berggruen am Mittwochabend ein weiteres Buch vor, eher eine Sammlung kurzer Betrachtungen. Großen Raum nimmt Picasso ein, der Berggruens Leben prägte und dessen Werk er erlesen wie kein zweiter Privatsammler zusammentrug. Der Autor huldigt lustvoll dem Typus des klassischen Feuilletons, das dem Großen im Kleinen nachspürt und alltäglichen Beobachtungen literarische Denkmäler setzt. So sinniert er über den deutschen Trieb des Schenkens, der ihm in Frankreich fremd geworden ist, aber auch über neudeutsche Sprachschöpfungen. Am bewegendsten sind Berggruens Erinnerungen an die Kindheit und Jugend in Berlin. Er beschreibt den Alltag im Geburtshaus an der Konstanzer Straße in Wilmersdorf. Dienstboten und Lieferanten durften nur den Hintereingang benutzen, der Vordereingang war "Nur für Herrschaften". Der kleine Heinz machte sich jahrelang Gedanken darüber, wer denn nur dieser "Herr Schaften" sei. (sep.)Heinz Berggruen: Monsieur Picasso und Herr Schaften, Verlag Klaus Wagenbach, 79 Seiten, 21,80 Mark.