Hoher Millionenverlust / Dennoch sollen im Sommer die Preise sinken: Gasag-Vorstand plant den Abbau von mehr als 1 000 Arbeitsplätzen

BERLIN, 22. März. Der Berliner Gas- und Fernwärmeversorger Gasag steht vor dem wohl schwierigsten Jahr seiner Unternehmensgeschichte. Finanzvorstand Rudolf Schulten kündigte im Rahmen der Bilanzpressekonferenz am Montag ein tiefgreifendes Sanierungsprogramm an, das dem Energieversorger nach den millionenschweren Verlusten der letzten Jahre die Möglichkeit verschaffen soll, im Jahr 2000 erstmals wieder schwarze Zahlen zu schreiben. Danach wird die Gasag bis zum Jahr 2003 ihre Belegschaft von derzeit 2 450 Mitarbeiter auf dann noch 1 400 Konzernbeschäftigte reduzieren. 350 weitere Mitarbeiter sollen zu veränderten Tarifkonditionen in der neu zu gründenden Tochter Berliner Abrechnungs- und Servicegesellschaft mbH (BAS) untergebracht werden. Verhandlungen mit der ÖTVÜber die sozialverträgliche Gestaltung des Arbeitsplatzabbaus laufen derzeit Verhandlungen mit der Gewerkschaft ÖTV. Laut Gasag-Personalvorstand Jörg Rommerskirchen hat das Unternehmen die Möglichkeiten des vorgezogenen Altersruhestands bereits weitgehend ausgeschöpft, so daß andere Modalitäten für den Stellenabbau gefunden werden müssen. Wegen der überdurchschnittlich langen Betriebszugehörigkeit der Mitarbeiter sowie einer ebenfalls hohen Unkündbarkeitsquote gestalten sich eventuelle Abfindungsregelungen überaus aufwendig. Die Verhandlungen mit der ÖTV sollen nach Möglichkeit im April abgeschlossen werden, damit der Aufsichtsrat im Mai das Maßnahmepaket absegnen kann.Der Gasag-Vorstand will die auf einen dreistelligen Millionenbetrag geschätzten Kosten des Personalabbaus komplett in der Jahresbilanz 1999 unterbringen. Damit zeichnet sich schon jetzt ein überproportional hoher Verlust für das laufende Geschäftsjahr ab, der das Vorjahresminus von 89 Millionen Mark weit in den Schatten stellen dürfte. Nur mit einer solchen Notoperation kann das Unternehmen aus Sicht der Manager in den Stand versetzt werden, die Wende zu schaffen und ab dem Jahr 2000 schwarze Zahlen zu schreiben. Zur besseren Positionierung der Gasag im einsetzenden Wettbewerb plant das Unternehmen für alle Haushaltskunden im Frühsommer eine "deutliche" Preissenkung. In der Vergangenheit war die Preisgestaltung der Gasag vom Bundeskartellamt mehrfach scharf kritisiert worden. Die Behörde ist allerdings nicht für die Preisaufsicht in Berlin zuständig. Zur Dimension der Preissenkung wollte sich der Vorstand nicht äußern. Allerdings gehe man davon aus, daß wenigstens die aus den Steuererhöhungen resultierenden Preisaufschläge aufgefangen werden.Mittelfristig strebt die Gasag eine Ausweitung ihres Anteils am Berliner Wärmemarkt von derzeit 35 Prozent auf 50 bis 60 Prozent an. Im vergangenen Jahr jedoch waren die Umsatzerlöse stark rückläufig. Sie fielen um 48 Millionen auf 843 Millionen Mark zurück. Den Ausschlag dafür habe die schlechte Berliner Konjunktur, der Abzug diverser Industrieunternehmen, die hohe Leerstandsquote bei den Gebäuden sowie vor allem die milde Witterung gegeben. Dennoch sei es gelungen, den Jahresfehlbetrag gegenüber 1997 (98 Millionen Mark) um neun Millionen Mark abzusenken. Wie der Vorstand einräumte, wurden dazu die Rückstellungen des Unternehmens weitgehend aufgelöst. Zudem habe sich die Gasag von weiteren nicht betriebsnotwendigen Immobilien getrennt. Grundstücksverkäufe sollen auch das Ergebnis des laufenden Geschäftsjahres aufbessern. Allerdings sieht Finanzvorstand Rudolf Schulten derzeit kaum eine Möglichkeit, die beiden mit Abstand größten Flächen des Unternehmens in Mariendorf und Charlottenburg rentabel zu vermarkten.Infolge der seit Jahren tiefroten Unternehmenszahlen sank die Eigenkapitalquote der Gasag auf 35 Prozent (1992: 52 Prozent). Wie der Vorstand einräumte, überstieg der Bilanzverlust mit 630 Millionen Mark zum Jahreswechsel erstmals die über das gezeichnete Kapital und die gesetzlichen Rücklagen hinaus vorhandenen freien Rücklagen. Ob die Eigner mit der Bewag und der Gaz de France an der Spitze Kapital nachschießen wollen oder müssen, sei derzeit offen. Gaz de France liefert nichtNach Einschätzung von Gaswirtschafts-Vorstand Georges Hoffmann besteht kaum eine Chance, daß sich die Kostenstruktur des Unternehmens durch preiswertere Gaslieferungen des Anteilseigners Gaz de France verbessert. Bislang gebe es dazu jedenfalls keine Vereinbarung mit dem französischen Staatsunternehmen. Im Rahmen der Gasag-Privatisierung hatte Gaz de France eine kostengünstigere Belieferung des Berliner Unternehmens in Aussicht gestellt und deshalb zusammen mit der Bewag von Senat und Abgeordnetenhaus den Zuschlag erhalten. Wie Hoffmann jetzt erläuterte, seien die Bezugspreise ohnehin für die Kostenstruktur der Gasag von nachrangiger Bedeutung.