Hollywood-Stars werden am Computer optimiert. Das Ergebnis: geschönte Schönheit: Im digitalen Jungbrunnen

"Lola gilt als bester Schönheitschirurg der Filmindustrie. Dank unserer Arbeit haben Stars jünger, dünner, muskulöser, älter, dicker, fitter, größer und kleiner gewirkt. Wir entfernen Narben, Gesichtshaare, Pickel, Falten, Grübchen und Muttermale. Wir machen Körper fester, Beine länger, Gesichter jünger, Brüste voller, Wangenknochen höher, Augen blauer und Haut glatter. Gleichzeitig stellen wir sicher, dass alles realistisch und überzeugend wirkt." (Eigenwerbung der Firma Lola VFX)Die besten Schönheitschirurgen Hollywoods arbeiten im Verborgenen. Ihre Operationsräume befinden sich im dritten Stock eines Gebäudes in Santa Monicas Second Street in Los Angeles; sie sind nur über einen separaten Eingang erreichbar, denn die Kunden von Lola VFX wünschen vor allem eins: Diskretion. Den prominenten Klienten verpassen die Lola-Leute ein perfektes Äußeres, schmerzfrei und für die Ewigkeit. Lola VFX ist nach eigenen Angaben "Hollywoods größtes Geheimnis". Die fünfzehn Lola-Spezialisten operieren im Grenzbereich; sie kommen überall da ins Spiel, wo Skalpell, Botox und Silikon nicht mehr viel ausrichten können. Ihre Hilfsmittel sind Tastaturen, Monitore, Grafiktabletts, Software; sie optimieren Filmstars per Mausklick. Der Prozess heißt DCE: Digital Cosmetic Enhancement, digitale kosmetische Verbesserung.Was früher nur in Modezeitschriften üblich war, inzwischen ist es auch Usus in der Filmindustrie: Es wird gemogelt ohne Ende. "Den Trend, Models auf Fotos schöner zu retuschieren, gibt es schon lange", sagt Thomas Nittmann; der 35-Jährige mit den deutschen Vorfahren ist der Chef von Lola VFX. "In den 1980ern begann man dann Popstars in Musikvideos zu verschönern, mit einfachen Mitteln": Man ließ die Aufnahmen mit digitaler Hilfe verwaschen erscheinen. "Für Filmproduktionen war das aber zu wenig", so Nittmann. Sein Geschäftspartner Greg Strause hat Britney Spears' Akne verschwinden lassen und Jennifer Lopez' Hintern verkleinert. Während der Arbeit an einem Hollywood-Blockbuster erkannten Nittmann und Strause, dass in der Filmindustrie ein Riesenbedarf an gepixelter Schönheit bestand. Lola VFX war geboren.Über die Arbeit von Lola zu sprechen ist schwierig. Sobald es um konkrete Projekte geht, wird Nittmann einsilbig. Welcher Star will schon, dass die Öffentlichkeit erfährt, dass er sein perfektes Aussehen digitaler Technik verdankt? "Das ist ein sehr sensibler Bereich", meint Nittmann. Häufig tauche der Name seiner Firma nicht einmal im Filmabspann auf. Selbst viele Schauspieler wissen nicht, dass sie ge-lolat wurden. "Vielmehr sind es die Studios, die auf uns zukommen", so Nittmann. Mit Bitten wie: Unser Darsteller hat die Nacht zuvor einen draufgemacht; entfernt doch die Schatten unter seinen Augen. Oder: Macht die Schauspielerin jünger.Pamela Anderson zum Beispiel. Die zog jüngst für einen Werbespot noch mal den "Baywatch"-Badeanzug an. "Es ist, als wäre die Zeit stehen geblieben", schrieb eine Zeitung. Tatsächlich wurde die 40-Jährige aber digital verjüngt, um auszusehen wie in alten "Baywatch"-Folgen. Die gleiche Behandlung wurde Sigourney Weaver zuteil; sie wurde für einen Spot erneut zu Ellen Ripley aus "Aliens - Die Rückkehr"; der Film stammt aus den 1980ern. Aufträge wie diese hat Lola vor allem dem Film "X-Men 3" zu verdanken. Für die Comicadaption aus dem Jahr 2006 durfte getrommelt werden, denn am Anfang des Films stand eine Szene, bei der die digitale Anti-Aging-Kur nicht zu leugnen war: Die Filmcharaktere Xavier und Magneto waren in einer Rückblende als junge Leute zu sehen. Ihre Darsteller Patrick Stewart und Ian McKellen mussten also fünfundzwanzig Jahre jünger gemacht werden. Dafür wurde das Digital Skin Grafting entwickelt, die digitale Haut-Verpflanzung.Hier werden Originalaufnahmen in den Computer eingescannt; diese Bilder dienen dann als Vorlage für die Manipulationen. Ist die Haut an einer Stelle besonders glatt, kann sie herausgeschnitten und auf andere Areale verpflanzt werden. Der Lichteinfall auf dem Gesicht kann manipuliert, die Knochenstruktur verändert werden. Poren, farbliche Abweichungen und feine Schattierungen, welche die Haut erst realistisch erscheinen lassen, bleiben dabei erhalten. Anfangs wirkten Stewart und McKellen zu androgyn, deshalb zieht Lola seither Hilfe vom Fach hinzu: Ein echter Schönheitschirurg erklärt den Lola-Leuten, welche Gesichtszüge einen Darsteller individuell wirken lassen. Bei "X-Men 3" benutzten die Computer-Ärzte zusätzlich Referenzmaterial aus alten Filmen mit McKellen und Stewart.Effekte wie bei "X-Men 3" bewerkstelligt die Firma mit Software, wie sie auch beim US-Militär zum Einsatz kommt. Auch zwei Hollywood-Legenden profitierten wohl davon: In "Nachts im Museum" wirken der zu Drehzeiten 81-jährige Dick Van Dyke und der 86-jährige Mickey Rooney um Jahre jünger. Eine US-Zeitschrift vermutete "cosmetic fixes": kosmetischen Reparaturen. Das Filmgeschäft kann sehr zynisch sein.Das momentane Maximum in Sachen digitaler Verjüngung liegt bei 30 bis 35 Jahren weniger. "Wobei es einfacher ist, einen 70-Jährigen wie 40 aussehen zu lassen, als einen 45-Jährigen wie 15", so Nittman. Der Grund ist, dass sich zwischen 15 und 50 Gesicht und Körperhaltung stark verändern. Dennoch wird nun das schier Unmögliche versucht: In "The Curious Case of Benjamin Button" entreift der 44-jährige Brad Pitt zum Twen. Ob Lola involviert ist? Man arbeite an zwei großen Projekten, über die er nicht reden könne, sagt Nittmann einmal mehr. Apropos Brad Pitt: Auch bei dem Film "Troja" war Lola involviert. Inwiefern genau? Schwieriges Thema, anderes Thema. Bei "Babel" erwies sich Pitts gutes Aussehen sogar als Makel: Damit er angegriffener wirkt, verpasste Lola dem Schauspieler Krähenfüße und Tränensäcke. Nittmann: "Solche Aufträge kommen allerdings selten vor."Üblicher ist dies: Beim "Superman"-Remake von 2006 legte Lola Maus am Hauptdarsteller an. Die Firma stattete den ohnehin durchtrainierten Brandon Routh mit noch kräftigeren Muskeln aus, seine Augenfarbe wurde intensiviert. Das Ergebnis war ein echter Superheld. Zum Angebot von Lola gehört ja "digitales Gewichtsmanagement, Muskeldefinition und Muskelkräftigung". Auch an einer anderen Comicverfilmung war Lola beteiligt. "Bei ,300' haben wir Schauspieler verschönert und eine Menge anderer Dinge gemacht", sagt Nittmann. Die muskulösen Oberkörper der Spartaner seien es allerdings nicht gewesen."Lola" mag der Vorreiter in Sachen digitales Make Up sein, doch andere Trickfirmen ziehen nach: Sogenannte "Vanity FX", Eitelkeits-Effekte, sind längst Alltag in Hollywood. Dazu gibt es kritische Stimmen, auch von Effektkünstlern. So zitierte die britische "Times" einen Post-Production-Mitarbeiter, der an Verschönerungsmaßnahmen beteiligt war, die gerade in aller Welt zu sehen sind. Oder besser, nicht zu sehen sind: "Es ist unfair gegenüber den Teenagern, die diesen Film anschauen. Weil sie eben nicht damit rechnen können, so auszusehen wie Harry Potter." Manchmal nutzt selbst der beste alte Zauberstab nichts, etwa bei Hautunreinheiten.Doch wird der Durchschnittsbürger nicht immer stärker unter Druck gesetzt durch Schönheitsmaßstäbe a la Lola? "Film ist eine Illusion. Wir ermöglichen es Regisseuren, ihre Vision umzusetzen. Wir helfen Studios, ein besseres Produkt auf den Markt zu bringen. Ich kann nichts Schlechtes daran finden", meint Nittmann - und schränkt ein: "Es ist sicher keine wünschenswerte Entwicklung, wenn immer mehr Menschen Filmfiguren als ihre Rollenmodelle wählen." Oft habe die Arbeit von Lola aber eine amüsante Komponente: "Wenn Studios in Panik anrufen: Kommt schnell, wir haben ein Problem." Aus Angst, das Material könnte in falsche Hände geraten, schicken die Studios der Firma die Filmaufnahmen oft nicht mehr zu. Ist das Notfallteam von Lola vor Ort, muss eine Verschwiegenheitsklausel unterzeichnet werden. Erst dann erfahren die Mitarbeiter, worum es geht.Die Schönheitschirurgen alter Schule haben Lola schon viel Arbeit beschert. Vor Nittmann standen schon mehrfach entgeisterte Regisseure: ,Meine Darstellerin hat etwas machen lassen, jetzt sieht sie nicht mehr aus wie sie selbst!' Lola rückte verschobene Kinnpartien und hängende Botox-Augenbrauen wieder gerade. Geschönte Schönheit, die geschönt wird - viele Geschichten des Lola-Chefs haben etwas Absurdes. "Wenn Filmfiguren etwas anderes sagen sollen als ursprünglich vorgesehen, kriegen wir das auch für mehrere Sekunden hin; keiner merkt was", sagt Nittmann. Und er erzählt von einer schauspielerischen Leistung Jennifer Connellys, die gar keine war: In dem Film "Blood Diamond" floss eine Computerträne aus ihrem Auge.Es gibt einen Grund für die Wohlexistenz von Lola VFX: Die Firma war an einem der größten Bluffs der jüngeren Filmgeschichte beteiligt. Es war der perfekte Fake. Eine Oscar-reife Leistung. Selbst die besten Pixel-Experten erkennen den Unterschied nicht. Als man Nittmann darauf anspricht, ist er sprachlos: Eigentlich sollte niemand davon wissen, nicht mal in Hollywood. Selbst in der riesigen Gerüchteküche des World Wide Web findet sich kein Eintrag dazu. Es muss leider ein Geheimnis bleiben; Nittmann sagt jetzt gar nichts mehr. Vermutlich hat er Angst vor einer Schadensersatzklage. Im dreistelligen Millionen-Dollar-Bereich.------------------------------Wird man nicht immer stärker unter Druck gesetzt durch digitale Schönheit?------------------------------Foto: Vorher: Hier ist der Schauspieler Ian McKellen noch in seiner ganzen, annähernd natürlichen Altersschönheit zu bewundern.------------------------------Foto: Nachher: Doch für einige Szenen im Film "X-Men 3" wurde der Schauspieler um 25 Jahre verjüngt.