Im Kegelkeller unter der Neuköllner Oper: Wanken über Holzplanken

Wer das Stück mit dem schönen Titel "Passagiere im Kegelkeller" besuchen möchte, steigt hinab ins Kellergewölbe unterhalb der Neuköllner Oper, wo sich die Überreste einer alten Kegelbahn befinden. Ein "Resonanzraum zum Nachspüren der Geschichte" soll das Gewölbe sein. Für das Stück haben die Autoren Volker Schindel, Rainer Killius und Tobias Dutschke Zeitzeugen befragt und in Archiven studiert. Wer nun ein volkshochschulhaftes Lehrstück über die Geschichte des vergangenen Jahrhundert erwartet, liegt dennoch falsch.Das Trio spielt mit dem Motiv der Passage. Während der Vorführung wandert das Publikum durch schmale Gänge - die Eingeweide des Gebäudes. Kegelkugeln rollen vorbei, während man über Holzplanken wankt. Überreste des Kegelkellers sind noch zu sehen, die eine Bahn ist mit Sand und einer Landschaft aus Modellbauhäuschen gefüllt. In der anderen steht Wasser, ein reizüberfluteter Gast stolpert aus Versehen hinein.Am Anfang steht die Verwirrung-worum geht es hier eigentlich? Drei Männer in komischem Aufzug präsentieren eine Mischung aus Sprechtheater, Gesang, Musik, Film- und Hörschnipseln. Historische Bruchstücke "zwischen Spielvergnügen und Heilsversprechen" werden hier collagenartig zusammengepuzzelt. Als Fundus dienen die Veranstaltungen, die der Neuköllner Passagekomplex in den letzten hundert Jahren beherbergt hat: Tanztees, Geflügelausstellungen, Operninszenierungen, Kegelabende, politische Agitation von sehr weit rechts bis ultralinks.Durch das Stück ziehen sich Assoziations-Cluster-Monologe, die in Wortspielen um einzelne Begriffe kreisen. Um Vergangenheit und Gewesenheit zum Beispiel. Oder es geht von Heilserwartung über Heilerde zur Schlammschlacht, zu Schützengräben in Heilerde gegraben und von dort wieder zurück. Absurd, wirr aber irgendwie auch hirnerfrischend. Da laufen zur Melodie von "Comandante Che Guevara" Meditationsanweisungen: "Einatmen-Ausatmen". Dazu kommen managerseminarhafte Ausführungen zum Thema "Führen". Politische Parolen lullen den Zuschauer ein. "Macht kaputt, was euch kaputt macht" und "Einigkeit und Recht und ... Ausatmen".Wie auf Omas DachbodenDie Darsteller, alle Musiker, vertonen die Darbietung auf absonderlichen Instrumenten: auf einer Art Mini-Cembalo, am Harmonium, oder mit Hilfe eines Mini-Orgelpfeifen-Blasebalg- Kastens.Dieses Stück ist eine Einladung zum Staunen. Es fühlt sich an, als sei man neun Jahre alt und hätte beim Familienfest bei Oma heimlich die Schnapsgläser der Erwachsenen ausgetrunken und sich dann auf den Dachboden verzogen, um dort lauter wundersame Gegenstände zu entdecken. Deren genauere Bewandtnis lässt sich allerdings kaum verstehen.------------------------------Passagiere im Kegelkeller12./ 24.-27./ 31. Mai sowie am 1.-3./ 7.-10./ 14.-16./ 22. Juni um 20.30 UhrKarten: 68 89 07 77.Neuköllner Oper, Karl-Marx-Straße 131-133, Karten: 030/68 89 07 77