Im Nollendorfkiez ist Berlins homosexuelle Community zu Hause: Unter dem Regenbogen
Dass die schwule Kette Axel Hotels ihr erstes Haus in Deutschland gerade in Schöneberg baut, ist kein Zufall. Das Hotel entsteht in unmittelbarer Nähe zum traditionellen Schwulenkiez zwischen Fugger-, Motz- und Eisenacher Straße. Der war in den 1920er-Jahren mit zahlreichen Vergnügungslokalen und Etablissements ein Eldorado für Homosexuelle. Mit dem Nationalsozialismus verschwand die Szene, in der Nachkriegszeit gab es lediglich verschwiegene Stricher-Bars und zwei Diskotheken. Erst in den 1980er-Jahren siedelten sich wieder Lokale und Gaststätten an, die offen um die schwule Klientel warben. Nicht alle blieben - doch in den 1990ern gab es eine regelrechte Renaissance des Homo-Kiezes. Zu den Lokalen, die immer mehr wurden, gesellten sich auch Bekleidungsläden wie Leather & Rubber, Buchhandlungen wie Prinz Eisenherz und der bruno gmünder verlag, einer der größten Verlage schwuler Literatur weltweit. Es öffneten Studios zur Körperertüchtigung, Visagisten, Videotheken und Bioläden. "Wenn sich hier zwei Männer auf der Straße küssen oder Hand in Hand gehen, ist das nichts Außergewöhnliches. Da guckt kaum einer", sagt Gerhard Hoffmann.Der studierte Politologe, Verleger und Autor ist Mitbegründer der deutschen Schwulenbewegung. 1977 eröffnete er mit Freunden in der Schöneberger Hauptstraße das "Andere Ufer", eine Gaststätte für Homosexuelle, die sich - anders als andere zu dieser Zeit - nicht hinter dicken Vorhängen verbarg. Durch die großen Schaufensterscheiben konnten Passanten sehen, was sich drinnen abspielte. 1998 verkaufte Hoffmann die Kneipe, die inzwischen mehrfach den Betreiber und auch den Namen wechselte: "Neues Ufer" heißt sie seit einigen Jahren.Dass der spanische Besitzer von Axel Hotel seinen Häusern das Etikett "hetero-friendly" gibt, wertet Hoffmann als Zeichen eines neuen schwulen Selbstbewusstseins. Seit Jahren kämpft er gegen die Diskriminierung Homosexueller. Er gehört zu den Mitorganisatoren des Lesbisch-Schwulen Stadtfestes, das dieses Jahr zum 16. Mal im Kiez gefeiert wird. Dort geht es nicht nur ums Feiern im schrillen Outfit, um Tunten und Transen in Miniröckchen, Highheels und Bustiers oder knackige Jungs mit Matrosenleibchen, sondern auch um Politik. Hoffmann lädt Politiker und Stars auf die Bühne. Auf dem "Wilden Sofa", einem blutroten Kanapee, stellt er ihnen unbequeme Fragen. Das Motto, unter dem das Stadtfest 1993 erstmals gefeiert wurde, ist bis heute dasselbe geblieben: "Gleiche Rechte für Ungleiche."Schwule und Lesben, Bisexuelle, Transvestiten und Transsexuelle sind längst noch nicht überall in die Gesellschaft integriert, sagt Hoffmann. Noch immer gebe es Gewalt gegen Homosexuelle, die damals Anlass für das erste Stadtfest war. Noch immer fehlten Regelungen beim Erbrecht, für Adoptionen und vieles mehr. "Wer die gleichen Pflichten wie alle hat, muss auch die gleichen Rechte bekommen", fordert Hoffmann.Im Kiez gibt es mittlerweile viele Institutionen, die Anliegen Homosexueller vertreten: Da gibt es die Schwulen-Beratung Mann-o-Meter, der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) hat dort seinen Sitz, ebenso die Organisatoren vom Christopher Street Day (CSD), es gibt das Selbsthilfeprojekt Café PositHiv und eine Lesbenberatung. Am Nollendorfplatz steht die Regenbogenstele von Salomé, gegenüber am U-Bahnhof das Denkmal Rosa Winkel für in der NS-Zeit in den KZ ermordete Homosexuelle und an der Urania die rote Aids-Schleife.Für Ekkehard Band (SPD), den Bürgermeister von Tempelhof-Schöneberg, ist der Schwulenkiez nicht nur Ausdruck gelebter Toleranz, sondern auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für den Bezirk. Nicht nur, weil viele der dort lebenden Homosexuellen eine gute Ausbildung und ein entsprechendes Einkommen haben. "Auch viele ausländische Touristen kommen gern hierher", sagt Band. Die Berlin Tourismus Marketing wirbt schon seit einigen Jahren auch in Übersee mit dem Kiez. Spätestens zum Stadtfest im Juni wird man wieder viele US-Amerikaner dort treffen.------------------------------"Wenn sich hier zwei Männer auf der Straße küssen, ist das nichts Außergewöhnliches." Gerhard Hoffmann------------------------------Foto: Schrill und bunt geht es beim Lesbisch-Schwulen Stadtfest zu. Doch auch sonst blüht im Nollendorfkiez homosexuelle Kultur.Foto: Gerhard Hoffmann (61) ist Mitbegründer der deutschen Schwulenbewegung.