Im Prozeß um das Flugzeugunglück wurden Fehler des Ingenieurs bestätigt / NVA hatte umfassendere Bestimmungen: Gutachter: Sicherheitsmängel bei Interflug

Das schwere Flugzeugunglück in Schönefeld hätte verhindert werden können. Die IL 62 wäre mit Sicherheit noch auf der Start- und Landebahn des Flughafens zum Stehen gekommen, wenn Bordingenieur Manfred S. korrekt gehandelt hätte. Zu diesem Schluß kommt Gerhard Müller vom Luftfahrtbundesamt. Müller wurde am Freitag als Gutachter im Prozeß um das Flugzeugunglück vom 17. Juni 1989 gehört, bei dem 21 Menschen starben und 29 schwer verletzt wurden.Die Staatsanwaltschaft wirft Manfred S. fahrlässige Tötung vor. Statt die Triebwerke auf Leerlauf zu stellen und die Spoiler auszufahren, soll er die Triebwerke ganz abgestellt haben. Das Flugzeug wurde nicht genügend gebremst. Zuvor hatte der Kapitän festgestellt, daß das Höhenruder blockiert war. 1970 soll eine ähnliche Panne auf dem Moskauer Flughafen aufgetreten sein. Die Besatzung hatte die Maschine aber sicher zum Stehen gebracht, da die kritische Geschwindigkeit noch nicht erreicht war. Die Interflug-Maschine war aber schon fast in der Luft, als der Kapitän den Start abbrechen mußte. Gutachter Müller bezeichnete die Situation als "außergewöhnlich" und "abnorm". Manfred S. hätte dennoch routinemäßig reagieren müssen. Daß er es nicht tat, begründete S. mit einem Blackout. Ihm blieben damals nur zehn Sekunden zum Handeln. "Er wollte schnell reagieren, da macht man Fehler", sagte Flugkapitän Werner P. Einen Startabbruch hatte er während seiner 30jährigen Berufstätigkeit nur dreimal erlebt.Die Blockierung des Höhenruders ist laut Gutachter Müller auf eine Fehlkonstruktion der IL 62 zurückzuführen. Sowjetische Piloten wären deshalb zu umfassenderen Kontrollen verpflichtet gewesen. Aus Unterlagen der Gauck-Behörde geht hervor, daß auch in der DDR "durch Gespräche" die Probleme mit dem Höhenruder bekannt gewesen waren. So galten für die Piloten der Nationalen Volksarmee schärfere Vorschriften zur Überprüfung. Die Interflug dagegen habe sie nicht in ihre Bestimmungen aufgenommen. Nach Ansicht des Gutachters hätte Interflug zudem ihre Besatzungen verpflichten müssen, Notsituationen direkt vor dem Start noch einmal durchzusprechen. Als ein Versäumnis des Flughafens wertete Müller, daß Hindernisse wie massive Betonklötzer oder Wasserbehälter im Flughafenbereich den Piloten nicht mitgeteilt worden sind.