In den Schöneberger Terrassen wurde das krebserregende Material durch Schlamperei freigesetzt: Asbest im Badezimmer
Die 32-jährige Ewa Baumgardt kann es noch immer nicht fassen. "Ich wurde einer unnötigen Gefahr ausgesetzt", sagt sie. Obwohl dem Vermieter bekannt war, dass in ihrer Wohnung in den "Schöneberger Terrassen" Asbest verbaut wurde, hat ein Handwerker das krebserregende Material bei einer Reparatur freigesetzt. Sie sei entsetzt darüber, sagt Ewa Baumgardt. "Ich weiß nicht, ob ich etwas eingeatmet habe." Mittlerweile ist die Sache ein Fall für die Staatsanwaltschaft.Eigentlich hätte das, was Ewa Baumgardt zugestoßen ist, überhaupt nicht passieren dürfen. Jedenfalls, wenn alle Sicherheitsregeln beachtet worden wären. Der Vermieter der Schöneberger Terrassen, die Wohnungsbaugesellschaft GSW, war über die Asbestgefahr bestens im Bild. Die GSW hatte die Mieter der 563 Wohnungen an der Dominicus-/Ecke Feurigstraße im Mai vergangenen Jahres selbst darüber informiert, dass "Decken und Wände der Sanitärbereiche aus Asbestplatten gefertigt wurden". Doch die GSW wusste ihre Mieter sogleich zu beruhigen. Weil die Platten durch abgehängte Decken, Fliesen und Tapeten isoliert seien, stellten sie "für Ihre Gesundheit keine Gefahr dar". Jedenfalls so lange die Platten "nicht angebohrt, angekratzt oder anderweitig beschädigt werden". Doch genau das passierte in der Wohnung von Ewa Baumgardt. Als es in ihrem Haus in der Feurigstraße 43 im September vergangenen Jahres einen Wasserrohrbruch gab, kam ein Handwerker zu ihr. "Da es sich um einen Notfall handelte, habe ich ihn reingelassen", berichtet die 32-Jährige. Sie habe ihn noch auf das Problem mit dem Asbest hingewiesen, doch habe der Handwerker trotzdem im Badezimmer gebohrt, um der Ursache des Rohrbruchs nachzugehen. Als er auf eine Asbestplatte gestoßen sei, habe er die Arbeit eingestellt und die Wohnung wieder verlassen, berichtet Ewa Baumgardt. Sie habe den Schmutz im Badezimmer anschließend mit ihrem Staubsauger weggesaugt. Am nächsten Tag sei ein Vertreter der GSW zu ihr gekommen und habe einen Aufkleber im Bad angebracht, auf dem vor Asbest gewarnt wird. Der GSW-Mann habe ihr gesagt, sie solle gleich am nächsten Tag umziehen. Ewa Baumgardt erkundigte sich daraufhin näher über die Gefahren von Asbest und erstattete Anzeige. Die Polizei nahm Proben in der Wohnung. Weil nicht ausgeschlossen war, dass die Wohnung kontaminiert ist, wurde sie gesperrt. Ewa Baumgardt kam in einer Ersatzwohnung unter. Bei der Untersuchung der Proben fand sich Asbeststaub im Staubsaugerbeutel, weitere Rückstände wurden am Bohrloch festgestellt. In der übrigen Wohnung sei aber kein Asbeststaub verteilt worden, so die GSW.Wer Schuld an dem missglückten Handwerkereinsatz hat, ist unklar. Die GSW schiebt die Verantwortung der Reparaturfirma zu. Das beauftragte Unternehmen habe sich nicht an die Sicherheitsvorschriften gehalten. Dass der Warnhinweis (kleines Foto) vor dem Asbest erst nach dem Einsatz des Handwerkers im Badezimmer angebracht wurde, bestreitet die GSW. Dies sei vorher geschehen.Die Polizei hat in dem Fall unter der Überschrift "unerlaubter Umgang mit gefährlichen Abfällen" ermittelt, sagte ein Polizeisprecher der Berliner Zeitung. Das Verfahren sei mittlerweile an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet worden. Ob und gegen wen Anklage erhoben werde, ist noch unklar.Der Berliner Mieterverein (BMV) sieht die Vermieter von asbestbelasteten Wohnungen zu besonderer Vorsicht verpflichtet. Handwerker dürften nur in Begleitung eines Vertreters des Eigentümers tätig werden, fordert BMV-Hauptgeschäftsführer Reiner Wild. Für Wohnungen mit Asbest gebe es "eine besondere Obachtspflicht des Vermieters".Ewa Baumgardt hat nach der Sperrung ihrer Wohnung eine wahre Odyssee hinter sich. Erst lebte sie in einer Ersatzwohnung, dann im Hotel, später bei einer Bekannten und schließlich wieder in einer Ersatzwohnung. Vier Wochen kam sie zwischenzeitlich nicht in ihre Wohnung, musste sich die nötigsten Dinge wie Zahnbürste und Schlafdecke kaufen. Ihre Pflanzen vertrockneten auf dem Balkon. Mit dem Krisenmanagement der GSW ist sie überhaupt nicht zufrieden. So sei ihr eine Ersatzwohnung angeboten worden, in der es eine Toilette ohne Toilettenbrille gab, in der die Tapete teilweise abgerissen war und der Boden schmutzig war. Erst auf ihre Beschwerde hin seien die gröbsten Mängel beseitigt worden - an dem Tag, als sie einzog. Ewa Baumgardt lebt noch immer in der Ersatzwohnung. Ihre alte Bleibe wird derzeit saniert. Wenn alles "rund läuft", so die GSW, könne sie Ende des Monats zurückkehren.------------------------------"Kein unmittelbarer Sanierungsbedarf"Asbesthaltige Baustoffe wurden in den Lüftungsschächten der Keller und Abstellräume in den Schöneberger Terrassen festgestellt. Darüber hinaus fand sich das krebserregende Material in Decken und Wänden der Sanitärbereiche.Beseitigt wurden die asbesthaltigen Baustoffe in den Parkgaragen.Für die Wohnungen besteht "kein unmittelbarer Sanierungsbedarf", so die GSW. Derzeit dauerten die Untersuchungen und Diskussionen über die anzuwendende Technologie "zu einer etwaigen Sanierung bestimmter Bauteile" an.------------------------------Foto: Ewa Baumgardt in ihrer Ersatzwohnung. In der Spiegelung des Fensterglases sind die anderen Wohnungen der Schöneberger Terrassen zu sehen.