In der Münchhausen Grundschule gab es zwei Tage lang Unterricht für die Wirbelsäule: Kinder proben den aufrechten Gang

REINICKENDORF Für die 400 Knirpse der Münchhausen Grundschule steht gestern und heute statt Lesen und Schreiben richtiges Sitzen auf dem Stundenplan. Zum ersten Mal wird an einer Berliner Schule gesunde Körperhaltung gelehrt. Gemeinsam mit Vertretern des Deutschen Verbands für Physiotherapie (DVP) veranstalten Eltern und Lehrer die vorbeugende Rükkenschule.Etwa jeder zweite Deutsche leidet unter Rückenproblemen als Folge falscher Kötperhaltung. Der Grundstein hierfür wird oft schon in den ersten Schuijahten gelegt. "Es ist deshalb wichtig, daß die Kinder schon früh richtiges Sitzen und gerades Stehen lernen", sagt Gabriele Hanne-Behnke. Das DVP-Vorstandsmitglied stellte für den zweitägigen Rückenunterricht das Personal ihrer eigenen Krankengymnastik-Praxis zur Verfügung und tragt die Kosten von knapp 6 000 Mark nahezu allein. "Ich hoffe, daß dies eine Pilotveranstaltung ist und sich zukünftig die Schulbehörde und Krankenkassen an solcher Vorbeugung beteiligen."Doch bisher haben sich die Krankenkassen für den geraden Rücken ihrer jüngsten Versicherten nicht eben krumm gelegt. "Präventivprogramme dieser Art gibt es nur für Erwachsene, Kinder sind daran noch überhaupt nicht beteiligt", klagt Gabriele Hanne-Behnke.An fünf Stationen lernen die Münchhausen-Schüler nicht nur richtiges Sitzen, sondern ebenso entspannende Yogaübungen und Lokkerungsbewegungen. "Wie macht denn der wilde Tiger?", fragt Krankengymnastin Anne Muzykorska die versammelte erste Klasse. 20 Kinder ziehen ein grimmiges Gesicht, krümmen auf allen Vieren ihren Rücken und antworten mit einem lauten Brüllen.Dieser Unterricht macht ihnen sichtlich Spaß, und sie sind stolz auf ihr neu erlangtes Wissen: "Ich habe meinen Eltern gleich gesagt, sie müssen darauf achten, daß sie gerade gehen", freut sich der achtjährige Yannick Reichstem.Doch der Rückenunterricht soll keine Eintagsfliege sein: "Wir wollen auch den normalen Schulalltag verändern", berichtet der Schulleiter Rainer Neußen. Im Turnunterricht wurde fortan mehr auf die Stärkung der Wirbelsäule geachtet, in einigen Klassen hätten sich Eltern bereit erklärt, die Haltung verbessernde Keilkissen für die Schulstühle anzuschaffen, und auch in den Pausen sollten lockernde Übungen trainiert werden. Mit ihrem "Zauberstab" zeigt Krankengymnastin Anne Muzykorska der sechsjährigen Maike Rutzholz das Geheimnis des richtigen Sitzens. Foto: Julia