In einem Forderungskatalog an die Parteiführung verlangt die "Liberale Offensive" in der FDP wieder eine klare, unzweideutige Sprache: Stahl will den starken Staat

Eigentlich müßten sich FDP-Parteichef Wolfgang Gerhardt und seine hessische Statthalterin Ruth Wagner über das ungewöhnliche Abschneiden ihrer Partei freuen. Da gelang es dem Landtagsabgeordneten Heiner Kappel bei der jüngsten Kommunalwahl, in dem Vortaunusstädtchen Bad Soden 17,6 Prozent an Stimmen in die Scheuer zu holen, ein ungewöhnliches Ergebnis für die verlustgebeutelte Partei. 5,5 Prozent mehr als 1993 sind das; nirgendwo in Hessen gewann die FDP prozentual so viel hinzu.Doch der Parteispitze hat es vorerst die Sprache verschlagen. Es wird sich noch zeigen müssen, wie schwer die Partei an dem Erfolg in Bad Soden und dem Einfluß der Männer, die ihn gemacht haben, zu tragen hat.Heiner Kappel, der 58jährige Pfarrer a. D., hat zusammen mit Ex-Generalbundesanwalt Alexander von Stahl, dem ehemaligen FDP-Fraktionschef im Düsseldorfer Landtag, Achim Rohde, und dem früheren "konkret"-Herausgeber Klaus Rainer Röhl - allesamt Repräsentanten der am rechten Rand der Partei positionierten "Liberalen Offensive" - in Bad Soden eine Richtungsänderung der Liberalen versucht. Auch wenn ihre Bedeutung in der FDP im umgekehrten Verhältnis zu den lautstarken Aussagen ihrer Protagonisten steht, mit den politischen Inhalten muß sich offensichtlich ein Teil der Wähler so stark identifizieren, daß er sein Kreuzchen machte.Müßte die FDP demnach als Gesamtpartei nur ihre Ziele denen der "Liberalen Offensive" annähern. Oder sie gar übernehmen, um aller Sorgen, an der Fünf-Prozent-Klausel zu scheitern, ledig zu sein? Kappel und seine Mitstreiter sind dieser Meinung.Doch wäre das dann noch die liberale Partei, die einst das Freiburger Programm formuliert hat? Wo die politische Reise hingehen würde, wenn die FDP den Thesen der Gruppierung folgen würde, davon lieferte eine "Wahlveranstaltung der ganz besonderen Art" kurz vor der Kommunalwahl in Bad Soden einen Vorgeschmack. Außergewöhnlich für FDP-Verhältnisse waren nicht allein die Aussagen, sondern auch das Interesse. Während sich ansonsten 20 bis 30 Menschen bei FDP-Wahlveranstaltungen verloren, drängten sich mehr als 300 um Kappel und von Stahl.Wie der über den mißglückten Anti-Terror-Einsatz in Bad Kleinen gestolperte ehemalige Generalbundesanwalt beispielsweise die Kriminalität, vor allem die der aus seiner Sicht überproportional beteiligten Ausländer, in den Griff bekommen will, würde selbst Rechtsextremisten alle Ehre machen. Automatische Abschiebung, wenn sie mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe erhielten, forderte er und rief nach dem "starken Staat". Dann mokierte er sich, daß man "Zigeuner" heute nur noch in Verbindung mit Zigeunerschnitzel oder Zigeunerbaron aussprechen dürfe, sie ansonsten als Sinti oder Roma oder, wie das BKA, als eine "mobile ethnische Minderheit" bezeichnen müsse.Kappel erklärt im Interview, er und die anderen Vertreter der "Liberalen Offensive" wollten mitnichten an den liberalen Grundprinzipien rütteln. Aber "weiter so", fragte er, "um dann wie die Titanic unterzugehen?" Ein Forderungskatalog werde in Kürze der Parteiführung übergeben. Darin werde die "Liberale Offensive" wieder nach einer "klaren, einfachen und unzweideutigen Sprache" rufen. Es müsse auch die "Glaubwürdigkeit von Personen" in der Parteiführung hinterfragt werden.Dann legt der eloquente Pastor und Pädagoge, Vater von drei Kindern, los. Stichwort Steuerreform: Erst fragen, was brauchen wir, und dann die Belastung reduzieren. Stichwort Sozialstaat: Die FDP müsse eine "absolut soziale Partei" sein und denen helfen, die Hilfe benötigten, aber auch entschieden gegen Mißbrauch vorgehen. Stichwort innere Sicherheit: Es gelte, die Freiheit der Bürger gegen Kriminelle zu verteidigen, für mehr Schutz einzutreten und dem Täter weniger Mitgefühl zukommen zu lassen, aber mehr dem Opfer. Kappel: "Ausländische Schwerstkriminelle müssen raus aus Deutschland, deutsche in den Knast." Stichwort Asylrecht: Da fordert er eine andere Rechtsweggarantie, die Asylverfahren beschleunigt, und ein Ende des Grundrechts auf Asyl. Die Bundesrepublik gewähre Asyl, aber die Beweislast, daß es berechtigt ist, liege beim Asylsuchenden. "Keinen neuen Wein in alte Schläuche", laute seine Devise."Die geistige Freiheit muß wieder kultiviert werden", sagt Kappel, der sich selbst als "Ratio-Liberalen" bezeichnet. Man müsse wieder offen miteinander reden. Schließlich fordert er ("Das ist mir äußerst wichtig.") ein "gesundes nationales Selbstbewußtsein". Die Skepsis über den Euro drückt sich in dem Bemühen der Gruppierung für eine Mitgliederbefragung aus. Von Maastricht hält Kappel wenig. Er sei für ein Europa der Vaterländer.Der Parteispitze hat es, wie gesagt, vorerst die Sprache verschlagen. +++