Innenminister: Die meisten Täter sind Deutsche: Seit Grenzöffnung dreimal mehr Autos gestohlen
POTSDAM. Zahlen lügen nicht, es kommt aber immer darauf an, wie sie interpretiert werden. Das zeigt sich am Beispiel der Kriminalitätsentwicklung an der deutsch-polnischen Grenze. So verzeichnete die Polizei im Vorjahr für ganz Brandenburg erstmals seit 2007 wieder einen Anstieg der angezeigten Straftaten um zwei Prozent. Doch im direkten Grenzgebiet sank die Zahl aller Delikte in dieser Zeit um beachtliche 21,5 Prozent, wie Innenminister Dietmar Woidke (SPD) gestern in Potsdam hervorhob. Und das, obwohl Ende 2007 die Grenzkontrolle zwischen beiden EU-Ländern wegfiel und allgemein mit einem Anstieg der Kriminalität gerechnet wurde. Einen dramatischen Anstieg gab es aber bei einzelnen Delikten. So stieg etwa die Zahl der Autodiebstähle um 250 Prozent, die von Einbrüchen in Lauben und Garagen um bis zu 170 Prozent.Parallel dazu sank beim Autoklau die Aufklärungsquote von 42 auf 20 Prozent. Die Zahlen zeigen auch, dass es nicht etwa mehrheitlich Osteuropäer sind, die im Grenzgebiet Straftaten begehen: Jeder Dritte Täter ist deutscher Staatsbürger."Beim Diebstahl haben wir in verschiedenen Bereichen alarmierende Anstiege, die für Sorge und auch Unruhe vor Ort sorgen", sagte Minister Woidke. Deshalb sei dort eine spezielle Polizeigruppe aktiv. Die Grenzregion werde auch bei der geplanten Neuorganisation der Polizei "angemessen berücksichtigt".Zu der Grenzöffnung 2007 hatte der damalige Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) davor gewarnt, "das Gespenst eines drohenden Anstiegs der Kriminalität an die Wand zu malen". Doch bei einigen Delikten ist es so gekommen. Viele Anwohner beklagen ein massives subjektives Unsicherheitsgefühl und behaupten, dass die Kriminalität sogar viel stärker gestiegen sei, da die Statistik nur die gemeldeten Fälle auflistet. Viele Geschädigte aber zeigen Laubeneinbrüche gar nicht mehr an, weil die Versicherungen nur selten zahlen.Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) lobte die neue Offenheit des Ministers. "Immerhin leugnet er das Problem nicht mehr, so wie seine Vorgänger", sagte GdP-Chef Andreas Schuster und forderte, dass im Grenzgebiet nicht weiter Personal abgebaut, sondern aufgestockt wird. Denn die Region sei attraktiv für Diebe. Auch viele deutsche Täter würden dort Autos stehlen und gleich nach Osteuropa bringen. Zudem gehe der Rückgang der Gesamtkriminalität nur darauf zurück, dass die Polizei weniger kontrolliert. "Wer nicht mehr nach Drogenkurieren sucht, findet auch keine." Und da es keine EU-Außengrenze mehr ist, gibt es auch keine Schleuser mehr, deren Taten früher die Statistik belasteten.------------------------------Gefährliche GrenzregionIn den 24 Gemeinden entlang der Grenze wurden 2007 noch 28 500 Straftaten registriert, 2010 waren es nur noch 22 400 (minus21,5 Prozent). Von 2009 auf 2010 sank die Gesamtzahl aller Delikte um vier Prozent.Beim Autodiebstahl war der Anstieg aber massiv: von 178 Taten (2007) auf 623 Delikte (2010). Allein in Frankfurt (Oder) stieg die Zahl der gestohlenen Autos in dieser Zeit von 52 auf 309, die der Einbrüche in Garagen von 72 auf 202.Die Aufklärungsquote lag 2007 noch bei 65 Prozent, 2010 nur bei 52 Prozent. 2007 wurden 13200 Verdächtige ermittelt, 2010 nur noch 8520, darunter 1987 Ausländer (davon wiederum 1059 Polen und 252 Vietnamesen).------------------------------Karte / Grafik: Diebstahl von Kraftwagen in Brandenburger Grenzgebieten: Das direkte Grenzgebiet umfasst 24 Gemeinden, in denen manche Delikte deutlich stiegen, aber Gewalttaten, Betrug und Ladendiebstahl zurückgingen.Grafik: Aufklärungsquote (2000 bis 2010).------------------------------KORREKTUR- Im Artikel "Seit Grenzöffnung dreimal mehr Autos gestohlen", Donnerstagausgabe, Seite 30, heißt es fälschlicherweise: "Jeder dritte Täter ist deutscher Staatsbürger." Richtig muss es heißen: "Drei Viertel der Täter sind deutsche Staatsbürger." 11.03.2011