Johannes Walenta aus Potsdam hat den Hauptdarsteller aus Polanskis neuem Film synchronisiert: Die Stimme von Oliver Twist

POTSDAM. Die Brille mit den runden Gläsern, die Haare, die Grübchen - alles erinnert bei Johannes Walenta ein wenig an Harry Potter. Doch dann fängt der 14-Jährige an zu sprechen. Vergessen ist der berühmte Zauberlehrling. Der Junge, der da in der elterlichen Wohnung in der Potsdamer Waldstadt lächelnd auf der Couch lümmelt, das ist ganz eindeutig Oliver Twist. Der Waisenknabe aus dem England des 19. Jahrhunderts, den einst Charles Dickens schuf und der nun auch als Held in den deutschen Kinos zu sehen und hören ist. Die Stimme kennt man, wenn man den neuen Film von Regisseur Roman Polanski gesehen hat. Verwechslung ausgeschlossen."Ja, es stimmt, ich bin die deutsche Stimme von Oliver Twist", sagt Johannes Walenta, der seit eineinhalb Jahren ausländischen Film- und Fernsehfiguren seine Stimme gibt. Walenta spricht ziemlich hochdeutsch, das fällt auf für einen Potsdamer Jungen seines Alters. Er hat dieses Hochdeutsch nicht von seinem Vater. Das sagt Thorsten Walenta (40), ein Webdesigner, jedenfalls von sich selbst. Vielleicht eher von der Mutter Katja, der 38-jährigen Chemieingenieurin, die im Fraunhofer-Institut arbeitet. "Sprechen üben mussten wir mit Johannes nie", sagt sie über ihren großen Sohn, der jetzt auf stimmliche Art und Weise Berühmtheit erlangt. Von dem sie aber niemals als Wunderkind lesen oder hören will. Obwohl er am evangelischen Gymnasium Hermannswerder in einer so genannten Schnellläufer-Klasse lernt, also eine Klasse übersprungen hat und nur Einsen auf dem Zeugnis hat - bis auf zwei Zweien in Latein und im Sport. Der gern am Computer eigene Websites bastelt und zweimal die Woche zum Fechten geht. Und gerade das neueste Abenteuer von Harry-Potter im Original liest. "Ein ganz normaler Junge eben", sagt Mutter Katja Walenta.Die Klavierlehrerin des Jungen war es, die Johannes zum Synchronsprechen brachte. Ihre Tochter hatte da schon selbst eine Rolle im Musical "Les Misérables" gesprochen. Jungenstimmen wurden in den Babelsberger Studios immer gebraucht. "Zum Synchronsprechen ist es ganz gut, wenn man durch die Musik ein wenig Gefühl für den Takt hat", sagt Johannes mit einer Stimme, die den Stimmbruch noch nicht kennt. Seine erste Rolle war für eine Serie des Kinderkanals. Er synchronisierte die Stimme eines Jungen, der im Abspann dann als "1. Kind" lief. "Ich musste nur etwas ganz Kurzes sagen: Hallo, oder so ähnlich", erinnert sich Johannes. Dann kamen kleine Rollen fürs Kino, dann der entscheidende Anruf aus Babelsberg. Vier Jungen wurden eingeladen, probehalber den Oliver Twist zu sprechen. Johannes traf den Tonfall des jungen Briten Barney Clark, der den schwindsüchtigen Filmhelden spielt, am besten. Er hatte die Rolle.Schwierig waren traurige SzenenNur fünf Tage im November ging Johannes in die Tonstudios, um den Oliver zu synchronisieren. Jeweils drei Stunden Arbeit lagen da vor ihm. Die Szenen im Original anschauen, dann die einzelnen Takes - mehrere Sätze am Stück - sprechen und dabei die richtige Stimmung treffen. Manchmal wurde alles fünf-, sechsmal wiederholt, bis der Regisseur zufrieden war. "Das war anstrengend, hat aber auch Spaß gemacht. Am schwierigsten war es für mich, einen traurigen Oliver Twist zu sprechen und zu weinen", sagt Johannes, ein fröhlicher Junge, der bei weitem nicht so einsilbig und schüchtern ist wie Polanskis Filmfigur. In der Studiozeit hieß es für Johannes: Aufgepasst, nur keinen Schnupfen bekommen. "So etwas ist dann schon ein wenig unpraktisch beim Synchronisieren", sagt der Junge. Schlimmstenfalls hätte alles eine Woche verschoben werden müssen.Als der Film dann endlich in die Kinos kam, sich die Kritiker mit Lob überschlugen, da hat ihn sich Johannes auch angeschaut - zusammen mit der Familie. "Es ist schon komisch, die eigene Stimme zu hören. Aber der Film war so spannend, dass ich das dann gar nicht mehr mitbekommen habe."Würde er nicht selbst einmal als Schauspieler eine Hauptrolle spielen wollen? "Nicht unbedingt", sagt Johannes. Das Synchronsprechen reiche im derzeit voll und ganz. Nach kurzem Nachdenken gibt er aber zu: "Ich würde gerne mal ein Computerspiel synchronisieren."------------------------------Foto (2): Johannes Walenta ist ein ganz normaler Junge: Er liest gern, geht fechten, spielt Klavier und liebt Computerspiele.Der Engländer Barney Clark spielt in dem Polanski-Film den Oliver Twist.