Kenan Kolat zum Koalitionsvertrag: Doppelte Staatsbürgerschaft? "Die SPD hat ihr Wort gebrochen"
Herr Kolat, die türkische Zeitung Vatan titelte am Donnerstag „Sieg der Türken“ und meinte damit den Wegfall des Optionszwangs. Sie sehen keinen Anlass zur Freude?
Nein, überhaupt nicht. Ich verstehe nicht, was daran ein Sieg für die Türken sein soll. Wir sehen die Koalitionsvereinbarung sehr kritisch, nicht nur wir als Türkische Gemeinde, sondern auch die anderen türkischen Organisationen.
Warum sind Sie so unzufrieden mit dem Vertrag?
Erstens hat die SPD nicht ihr Versprechen eingehalten. Sie hat ihr Wort gebrochen, wonach es keinen Koalitionsvertrag ohne doppelte Staatsangehörigkeit geben wird. Zweitens lässt man ausgerechnet die Menschen aus der ersten und zweiten Generation, die so viel zum Wohlstand Deutschlands beigetragen haben, außen vor.
Wenn man aber bedenkt, von wo die Union gekommen ist – ist das nicht ein ziemlich großer Sprung, dass nun wenigstens die hier Geborenen zwei Pässe haben dürfen?
Dazu muss man sagen, dass schon die Einführung der Optionspflicht ein fauler Kompromiss war. Aber ich erkenne an, dass das für die CDU ein großer Schritt ist. Ihre Argumente gegen die doppelte Staatsangehörigkeit verfangen nun aber nicht mehr. Diese ganzen vorgeschobenen Gründe, dass durch zwei Pässe Loyalitätskonflikte entstehen, sind hinfällig, wenn man bei den hier Geborenen zwei Pässe akzeptiert.
Eine Folge des Kompromisses wird sein, dass es immer mehr Menschen mit zwei Pässen gibt. Ist nicht die Zeit auf Ihrer Seite?
Wir diskutieren nun schon seit 40 Jahren über das Thema. Natürlich kann man sagen, dass das nur noch die letzten Gefechte der Vergangenheit sind. Trotzdem: Diese Koalition hätte einen ganz neuen Anfang wagen können. Das hat sie nicht getan und damit ist diese einmalige Chance vergeben worden.
Sie sind SPD-Mitglied. Auf Ihr Ja zum Koalitionsvertrag scheint Gabriel nicht zählen zu können?
Die Vorstandsmitglieder in der Türkischen Gemeinde und die der Landesverbände, die in der SPD sind, haben beschlossen, mit Nein zu stimmen, um ein Zeichen zu setzen. Das ist Ausdruck unserer Enttäuschung gegenüber der SPD.
Das Gespräch führte Mira Gajevic.