Koalitionsvertrag in der kommenden Woche: Schwerin: PDS will keine Stasi-Überprüfungen

SCHWERIN, 20. Oktober. Selten waren die Landespolitiker von SPD und PDS in Mecklenburg-Vorpommern so kurz angebunden wie in den letzten Tagen. Statt öffentlicher Auftritte ringen die Beteiligten intensiv um die Inhalte einer rot-roten Regierungsvereinbarung. "Hart aber fair" werde verhandelt, so der designierte Ministerpräsident und SPD-Landeschef Harald Ringstorff. Konstruktiv und locker gehe es zu, berichten Verhandlungsteilnehmer, hinter verschlossenen Türen werde "sogar gelacht".Am Dienstag einigten sich SPD und PDS über Reformen in der Schulpolitik. Die Grundschulzeit, sagte SPD-Landesparteichef Harald Ringstorff, soll danach mittelfristig von vier auf sechs Jahre verlängert werden. Schon im kommenden Jahr soll es eine schulart-unabhängige Orientierungsstufe geben. Bislang findet diese in Mecklenburg-Vorpommern getrennt an Haupt- und Realschulen sowie Gymnasien statt. PDS-Landeschef Helmut Holter sieht in den Beschlüssen "einen Schritt zur Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems".Auch beim Thema Umweltschutz und Landwirtschaft waren sich beide Delegationen schnell einig. Nur die Frage der Ausgestaltung der Verbandsklage blieb zunächst offen. Die PDS fordert das uneingeschränkte Klagerecht beispielsweise für Umweltverbände, die SPD will dagegen Infrastruktur-Großprojekte wie die Ostseeautobahn davon ausnehmen. Wie alle strittigen Fragen wurde auch diese zunächst vertagt. Nach der konstituierenden Sitzung des Landtages am Montag sollen sie am Dienstag und Mittwoch in einer "zweiten Lesung" des Vertrages ausgeräumt werden. Bei zwei Parteitagen am letzten Oktoberwochenende soll die Zusammenarbeit besiegelt werden und in der ersten Novemberwoche der Ministerpräsident gewählt werden.DDR-UnrechtsstaatIndes haben jedoch grundsätzliche Fragen die Gespräche ins Stokken gebracht. Die SPD hatte am Montag einen für die PDS offenbar inakzeptablen Präambel-Entwurf eingebracht. Nach zähen Gesprächen verständigten sich beide zunächst nur auf allgemeine Grundsätze. "Die Menschen können sich durch die wahrheitsgemäße Aufarbeitung der Geschichte versöhnen und nicht durch Verdrängung", lautet ein Eckpunkt. Im Konkreten ziert sich die PDS. Auf eine Stasi-Überprüfung aller Landtagsabgeordneten will sie sich nicht einlassen, auch die Regelanfrage für Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes ist umstritten. Offenbar hatte die SPD in ihren Entwurf auch einen Satz einfließen lassen, in dem die DDR Unrechtsstaat genannt wird zum Unmut der PDS-Genossen. Teile der SPD hingegen hatte die voreilige Ankündigung der PDS-Bundesspitze am letzten Wochenende in Schwerin verstimmt, zur Beendigung "ungerechtfertigter Strafverfolgung aus DDR-Zeiten" eine Bundesratsinitiative zu starten. "Unverschämt" seien die PDS-Forderungen, schimpfte ein Teilnehmer der SPD-Delegation.Beim wichtigen Thema Arbeitsmarktpolitik mußte die PDS inzwischen allerdings erhebliche Zugeständnisse machen. "Beide Seiten haben sich aufeinanderzu bewegt", betonte PDS-Verhandlungsführer Helmut Holter. Doch vor allem hat sich die PDS bewegen müssen. Zwar waren sich beide Parteien einig, im sozio-kulturellen Bereich, etwa bei der Sucht- oder Schuldnerberatung, neue Beschäftigungsfelder zu schaffen. "Priorität", so betonte Ringstorff, hätten dabei 1 000 Jugendsozialarbeiter. Doch statt von 5 000 Dauer-Arbeitsplätzen, wie von der PDS gefordert, ist darüber hinaus nur noch von fünfjährigen Beschäftigungszeiträumen oder ABM-Förderketten die Rede.Alles steht zudem noch unter Haushaltsvorbehalt. Über die strittigen Finanzfragen soll am kommenden Freitag verhandelt werden.