Seit Wochen befinden wir uns wieder im Kampf gegen das dunkle Imperium. Geheimdienste haben „weltweit und mit gigantischem Aufwand“ den Datenstrom angezapft. Alle sind betroffen, geschockt. Im Fernsehen werden spiegelnde schwarze Fassaden der Geheimzentralen gezeigt, Todessterne, in denen das Grauen lauert.
In nüchternen Momenten möchte man fragen: Was sollen Geheimdienste eigentlich sonst so tun? Aber man traut sich nicht. Denn die Diskussion geht immer nur so: Moderator/in/Talkshowmaster: „Nun gibt es ja Leute, die glauben, das wäre gar nicht schlimm. Wir hätten ja gar nichts zu verbergen als Bürger.“ Experte/Skandalautor/Weltretter: „Eine zynische Haltung! Daten können für Spionagezwecke missbraucht werden, oder um missliebige politische Haltungen zu diskriminieren. Das Problem ist doch, dass hier ohne Anfangsverdacht jeder Bürger verdächtigt wird!“
Warum empören wir uns dann nicht, wenn wir am Flughafen unsere Taschen öffnen müssen? Oder die Polizei auch die ins Tütchen blasen lässt, die keine Schlangenlinien fahren? Sollen die Geheimdienste Millionen Spione an jeder Ecke Anfangsverdachte sammeln lassen? Wir würden angesichts solcher Blockwartmethoden zu Recht auf die Straße gehen...
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Die Debatte ist alt, sie trieft von Klischees. In meiner Jugend stürzte Horst Herold mit Rasterfahndung die BRD in den Neuen Faschismus. Ohne diese (damals noch sehr grobe) Methode hätte die RAF weiter triumphal gemordet. Dann kam der Protest gegen die Volkszählung. Mit einem guten Algorithmus hätte man vielleicht die 9/11-Massenmörder rechtzeitig aufspüren können. Aber darum geht es nicht.
Es geht um kindliche Mythen, Narrationen, die irgendwo zwischen Tim und Struppi, James Bond und Darth Vader ihre Wurzeln haben. Ähnelt nicht der smarte Snowden einem postpubertären Luke Skywalker? Der jugendliche Held, der vor den Finsterlingen um die Welt flieht – vom Leitmedium so inszeniert wie jene grausamen Ganztags-Königs-Hochzeiten, bei denen es weder etwas zu sehen noch zu sagen gibt: „Endlich sehen wir etwas um die Ecke biegen. Nein, es ist nicht das Brautpaar, es ist nur ein Lieferwagen!“
Vor zehn Jahren wurde ich von einem deutschen Geheimdienst zu einer Konferenz zur Zukunft der Terrorismusbekämpfung eingeladen. Soziologen, Historiker, sogar Künstler, meist aus dem linksliberalen Milieu, waren sich einig, dass es neuer Mittel und Methoden bedurfte, unseren Lebensstil zu verteidigen. Aber auch die Zivilgesellschaft, so war uns klar, wird auf eine Probe gestellt. Kann es gelingen, Toleranz zu bewahren, gesellschaftliches Vertrauen zu verteidigen? Bis heute bin ich den amerikanischen, britischen, deutschen Sicherheits-Agenturen dankbar, dass ich mit meiner Familie durch die Welt reisen kann, ohne in die Luft gesprengt oder als Geisel genommen zu werden
Barack Obama hat in einem Neben-Satz alles gesagt: Man kann angesichts von tödlichen Bedrohungen nicht Null Unannehmlichkeiten haben. Klar gibt es Fehler, aus denen man lernen muss, Kontrolle gehört organisiert. Aber Geheimdienste entlasten auch die Zivilgesellschaft. Sie verdienen Vertrauen. Versuchen Sie mal, das in jener Weltrettungs-Empörungs-Talkshow zu formulieren, die uns allabendlich um die Ohren gehauen wird!