Kolumne: Nachsicht mit Tebartz-van Elst
Auf päpstlichen Rat hin verbringt der Limburger Bischof „eine geistliche Zeit der Erholung“ im bayerischen Kloster Metten. Aber wovon muss er sich erholen? Er beharrt darauf, stets richtig gehandelt zu haben, fühlt sich enttäuscht, verraten, zu Unrecht beschuldigt. Franz-Peter Tebartz-van Elst versteht die Welt nicht mehr, will zurück und seines Amtes walten, ist aber als guter Katholik „bereit zur Versöhnung“. Ihn plagt keine Gewissensnot.
Nach meinem Eindruck leidet der Bischof an einer Wahrnehmungsstörung. Seine Flug-, Bau- und Interviewgeschichten zeigen ihn als einen, dem es unmöglich ist, sich in jemand anderen hineinzudenken, Mitgefühl zu entwickeln und eigenes Verhalten zu überprüfen. Man sah ihn während der vergangenen Wochen auf Hunderten, auch älteren, Fotos – sein selbstverliebt gestyltes Gewand trägt er als Schutzfolie, sein Blick weist stets ins Leere, ins beziehungslose Nirgendwo. Ihm fehlt jene pastorale Wärme, die Karl Kardinal Lehmann, Papst Franziskus oder der in seiner Kindheit so schwer geprüfte Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Robert Zollitsch ausstrahlen.
Wer versucht, sich in eine Predigt von Tebartz-van Elst zu vertiefen, findet aneinandergereihte, tausendmal plattgetretene Formeln. Da ist von Booten die Rede, „die sich von den Wellen treiben lassen“, deshalb kentern könnten, so wie „Christen, die sich der Strömung, dem Mainstream einer säkularen Gesellschaft überlassen, irgendwann untergehen“. Und weiter: „Von dem früheren Münsteraner Bischof Heinrich Tenhumberg kommt das Wort: ‚Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom!‘ Das Evangelium Jesu Christi, unser Glaube, versteht sich wie eine Gegenstromanlage in einer säkularen Gesellschaft. Sie fordert heraus und kräftigt das Stehvermögen von Menschen, die für Gott eintreten wollen. Missionarischer Glaube braucht Christen, die bereit sind, in dieser Verantwortung zusammenzustehen.“ In derart gedanken- und emotionsfreiem Wortgeklimper kommt kein einziger Mensch vor, kein Konflikt, keine im irdischen Jammertal womöglich unlösbare Frage.
Den Oberhirten Tebartz-van Elst interessiert nicht das Leben und Leiden, das Wimmeln und Weben des ihm anvertrauten Kirchenvolks, ihm liegt an makelloser Hermetik. Er repräsentiert den im säkularen Moralgewerbe gleichfalls vertretenen Typus, der mit großen, leicht erstaunten Augen authentisch tut, nirgends anecken will und gelegentlich Tiefsinn vortäuscht.
Eben weil es ihm an der Fähigkeit gebricht, den anderen zu verstehen, auf ihn zuzugehen, sich ihm zu öffnen, verdient Tebartz-van Elst Nachsicht. Er liebt die Dinge, die er sammelt, mit Hingabe pflegt, schützt, verschönert und ordnet – nicht Menschen, die verwirren ihn. Darin besteht sein Lebensproblem, sein zu respektierendes Leiden. Er ist für Gemeindedienst und Seelsorge nicht geschaffen. Er ahnt das, sonst wäre er nicht für Jahre in die beschützende Werkstatt Universität geflohen, um sich dort in eine sogenannte Methodik der vergleichenden Pastoraltheologie zu verkriechen.
Die Frage ist nicht, was der Bischof von Limburg alles falsch gemacht hat, sondern wer ihn in ein Amt geholt hat, das ihn von Anfang an überforderte und seinen Gaben nicht entspricht.