Kommentar: Gauck bei der Arbeit
Manche mögen finden, Bundespräsident Joachim Gauck sei überarbeitet, ein wenig schusselig und auch noch cholerisch. Da über seine beiden Vorgänger wesentlich respektloser geschrieben wurde, ist seine gelassene Reaktion auf die sensationsheischende Veröffentlichung einiger Zitate aus einer demnächst erscheinenden Biografie die einzig richtige.
Und auch der Hinweis, dass wir in einem freien Land leben, wo die Grenzen für die Beleidigung des Staatsoberhauptes weit gesetzt sind. Entscheidend ist, dass Gauck seines Amtes waltet, und das stellt er gerade unter Beweis. Er nimmt aktiv am politischen Geschehen teil, dazu gehört das Gespräch mit den Parteivorsitzenden über die Folgerungen aus dem Wahlergebnis. Das haben Vorgänger nicht anders gehalten.
Die große Aufmerksamkeit entsteht nun, weil der Präsident angesichts der komplizierten Mehrheitsverhältnisse eine eigene Rolle bei der Regierungsbildung spielen könnte. Manche sagen, dies sei der eigentliche Grund gewesen, weshalb die Kanzlerin Gauck nicht auf diesem Posten sehen wollte.
Weil er anders als sein gescheiterter Vorgänger Christian Wulff eben kein in der Parteipolitik geschulter Machtmensch ist, der für Merkel einwandfrei vorhersehbar handelt. Doch auch das ist reine Spekulation. Gauck wird sich vom Grundgesetz leiten lassen. Nicht mehr, nicht weniger. Ob es der Kanzlerin passt oder nicht.