Kommentar zu Putins Neujahrsansprache: Gefühle und Geschichte

Gefühle sind in der Politik eine schwer zu berechnende Kategorie. Kaum einer hat das deutlicher zu spüren bekommen als der SPD-Kanzler-Kandidat Peer Steinbrück. Als er sich im Verlauf der eigenen Ergriffenheit ein paar Tränen nicht verkneifen konnte, trug ihm das nicht nur Sympathien ein. Und als er später mit starken Gesten nachlegte, war es um den Erfolg seiner politischen Mission bereits geschehen.

Doch das Gebot, Gefühl und Politik besser voneinander zu trennen, wird kaum mehr befolgt. Vielmehr scheint es zu den Machttechniken eines neuen Herrschertypus zu gehören, für den Ausdruck der Rührung gleich selbst zu sorgen. Der türkische Präsident Erdogan neigt als Redner dazu, sich bis an die Grenze der Weinerlichkeit und darüber hinweg zu steigern, und sein russisches Pendant Wladimir Putin gibt den harten Hund nicht ohne den Hinweis, für Pathosformeln aller Art empfänglich zu sein. Aber nur wer sie selbst ausgibt, vermag sie auch zu kontrollieren. In der Entscheidung der Krim-Bewohner für eine Rückkehr in die Heimat, so sagte Putin innerlich bewegt in seiner Neujahrsansprache, habe sich ihre Liebe fürs Vaterland gezeigt. Tja, wenn es einfache nur Liebe gewesen wäre.

Historisches treibt schließlich auch den nordkoreanischen Diktator Kim Jong Un, indem er Gespräche mit Südkorea in Aussicht stellt. 2015 bringt Spannung. Und noch mehr Gefühle.

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