Kommentar zum EEG: Das EEG wird zur Jahrhundertreform

Es hätte so schön kommen können für die große Koalition. Pünktlich zur Sommerpause ist das Rentenpaket abgeschickt. Der Mindestlohn wird vom Bundestag verabschiedet. Und als Krönung tritt am 1. August die Reform der Ökostromförderung und damit das zentrale schwarz-rote Energiewende-Vorhaben in Kraft. Drei derartige Gesetzesbrocken im ersten halben Jahr – das ist ein beachtliches Pensum.

Doch dieser Eindruck ist nun gründlich getrübt. Das halsbrecherische Tempo, mit dem das 200-seitige Ökostrom-Gesetz durchs Parlament gepeitscht wird, wirkt alles andere als souverän. Ein Ausschuss, der seine Sitzung abbrechen muss, hektische Sondertreffen der Fraktionen und komplizierte Änderungen bis zur letzten Minute überschatten das Vorzeigeprojekt. Bei einer derart komplexen Materie wäre es ein Wunder, wenn in den nächsten Wochen nicht noch die eine oder andere böse Überraschung im Gesetz zutage träte.

Der Fairness halber muss festgehalten werden: Nicht allein diese Bundesregierung, sondern vor allem deren blauäugige Vorgängerin gemeinsam mit einem Beihilfeverfahren aus Brüssel haben den enormen Zeitdruck verursacht. Nachdem die EU-Kommission die bisherige Ausnahmeregelung für die Industrie abgemahnt hat, droht im August ein rechtsfreier Zustand mit milliardenteuren Risiken für die Wirtschaft, wenn bis dahin das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) nicht novelliert wird. Der Handlungsdruck ist also enorm.

Die richtige Richtung

Auch die Stoßrichtung der Reform ist – trotz der Kritik unzähliger Lobbygruppen – richtig: Das einst als Nischenförderung konzipierte EEG, mit dem Wind, Sonne und Biomasse konkurrenzfähig gemacht werden sollten, muss marktwirtschaftlicher und kostengünstiger gestaltet werden, nachdem die Öko-Energie inzwischen ein Viertel der deutschen Stromerzeugung ausmacht. Es gibt keinen Grund dafür, die nachweislich sehr teure Stromerzeugung aus Biomasse in gleicher Weise finanziell zu unterstützen wie den günstigeren Windstrom.

Es ist absurd, wenn eine immer größere Zahl von Unternehmen über eine komplizierte Ausgleichsregelung alleine deswegen von der EEG-Umlage befreit wird, weil diese Abgabe steigt. Noch problematischer wirkt die bisherige pauschale Ausnahme für den selbst erzeugten Strom: Sie belohnt den Ausstieg großer Unternehmen aus der Solidargemeinschaft und bürdet die Gemeinkosten einem immer kleineren Kreis von Gewerbetreibenden und Wohnungsmietern auf.

Mit diesen Fehlentwicklungen räumt die Reform auf. Unterm Strich erwarten die Experten des Wirtschaftsministeriums dadurch eine Stabilisierung der EEG-Umlage etwa auf dem heutigen Niveau von 6,24 Cent pro Kilowattstunde. Das klingt bescheiden. Angesichts der hohen festen Förderzusagen und der dramatischen Entwicklung in den vergangenen Jahren wäre es aber durchaus beachtlich.

Brüssel könnte den Entwurf kippen

Die Akzeptanz der Energiewende aber wird diese schwarz-rote Reform kaum erhöhen. Dazu hat sie zu viele schwere Mängel, allen voran ihre soziale Schieflage: Es mag volkswirtschaftlich gute Gründe geben, im internationalen Wettbewerb stehende energieintensive Unternehmen nicht mit allzu hohen Stromkosten zu belasten. In der Vergangenheit hat die SPD jedoch kritisiert, dass dies von den kleinen Gewerbetreibenden und den Privathaushalten über ihre Stromrechnung bezahlt werden muss.

Nun macht Minister Sigmar Gabriel mit den milliardenteuren Industrie-Ausnahmen von der EEG-Umlage nichts anderes. Zudem wird die komplexe Ökostrom-Förderung noch erheblich undurchsichtiger. Im Gesetz wimmelt es von vollen, gestaffelten und anteiligen Umlagesätzen. Da dürfte es selbst Experten schwer fallen, den Überblick zu behalten.

Die schwerste Bürde der Reform aber liegt in dem Verfahren. Vielen Abgeordneten dürfte am Freitag kaum klar sein, was genau sie beschließen. Und auch dem Bundesrat bleibt keine andere Wahl, als das Gesetzeswerk durchzuwinken. Das vermittelt nicht nur den unguten Eindruck einer Nacht-und-Nebel-Aktion, sondern ist auch demokratietheoretisch problematisch: Ähnlich wie bei der Bankenrettung in der Finanzkrise werden zwei Verfassungsorgane bei der Gesetzgebung faktisch übergangen.

Gleichwohl ist der Erfolg keinesfalls garantiert: Anders als von der EU-Kommission gefordert, beharrt die Regierung nämlich aus guten Gründen darauf, auch importierten Strom mit der EEG-Umlage zu belasten. Theoretisch kann Brüssel das Gesetz deshalb sofort wieder kippen. Gelingt es der Kanzlerin in den nächsten Tagen nicht, Kommissionspräsident José Manuel Barroso davon abzuhalten, wäre die Energiewende in Deutschland endgültig gescheitert.