Kommentar zum Prism-Enthüller: Snowdens Flucht durch eine verkehrte Welt
Es ist eine verkehrte Welt: Nicht die demokratischen Rechtsstaaten Europas gewähren dem Enthüller des amerikanischen Überwachungswahns Asyl. Nein, Edward Snowden muss erst in die „lupenreinen“ Demokratien China und Russland fliehen, um sich der Verfolgung durch die USA zu entziehen und nun in Venezuela Asyl beantragen.
Deutschland hatte sich zuvor bereits formaljuristisch aus der Affäre gezogen, da die „Voraussetzungen für eine Aufnahme“ nicht vorlagen. Von seinem Ermessensspielraum in Sachen Aufenthaltserlaubnis wollte Innenminister Friedrich lieber keinen Gebrauch machen. Schließlich seien die USA doch ein Rechtsstaat mit unabhängiger Justiz und freigewählten Abgeordneten.
Ein Rechtsstaat jedoch, der sich im selbst ausgerufenen Krieg gegen den Terror immer weniger um Menschen- und Bürgerrechte sorgt und immer mehr auf Überwachung und Bestrafung setzt. Das zeigt schon ein Vergleich: Durfte der Enthüller der Pentagon-Papiere Daniel Ellsberg in den 1970er-Jahren noch gegen Kaution auf freiem Fuß bleiben bis zum Prozess gegen ihn, saß der Wikileaks-Whistleblower Bradley Manning vor seinem Verfahren drei Jahre im Gefängnis, davon acht Monate in Einzelhaft. Doch all dies ignoriert Friedrich großzügig und erinnert so an ein altes Kindergedicht: „Beide Hände in den Taschen / Hielt er sich die Augen zu. / Denn er konnte nicht ertragen, / Wie nach Veilchen roch die Kuh.“