Kommentar zur BND-Spionage in der Türkei: Ankara befürchtet unliebsame Enthüllungen

Als sie erfuhren, dass der BND in der Türkei spioniert, ist einigen Häuptlingen der Regierungspartei AKP vermutlich ein Schreck in die Glieder gefahren. Das zumindest lässt sich aus Reaktionen der Presse ablesen, die sofort eine Verbindung konstruierte zwischen dem BND, Angela Merkel und dem sogenannten „Parallelstaat“ der Gülen-Bewegung, dem Intimfeind des neuen Staatspräsidenten Erdogan. Er hat zwar die Inlandspresse weitgehend unter seine Kontrolle gebracht und zwingt Twitter zu inhaltlichen Sperren, aber über ausländische Dienste hat er keine Macht. Das musste er schmerzlich erfahren, als Wikileaks amerikanische Diplomatendepeschen veröffentlichte, wonach Erdogan über ein Milliardenvermögen in der Schweiz verfügt.

Die türkische Regierung dürfte die BND-Spionage daher als Sammlung mit Erpressungspotenzial interpretieren. Ihre vorsichtige Reaktion könnte ein Hinweis darauf sein, dass sie sich vor den BND-Akten fürchtet – und lieber keinen größeren Konflikt mit Berlin riskiert. Man wird sich jetzt in Ankara fragen: Was weiß der BND über die Korruptionsaffäre? Was haben die Agenten über eine mögliche Verbindung offizieller Stellen zur Terrormiliz Isis erfahren? Falls solche Interna nach außen dringen, wäre es ein innen- wie außenpolitischer GAU. Damit es nicht soweit kommt, wird Ankara versuchen, den Ball flach zu halten. Das Misstrauen gegenüber Berlin aber wird wachsen.