: Kommentar zur Neujahrsansprache: Scharfe Worte von Kanzlerin Merkel
Berlin - Traditionell gehört die Neujahrsansprache der Kanzlerin nicht zu den dramatischen Höhepunkten eines Silvesterabends. So sehr flüchtete sich Angela Merkel in den vergangenen neun Jahren ins Staatsfraulich-Unverbindliche, dass die Farbe ihres Blazers zur eigentlichen Überraschung des Vortrags geriet. Mal plauderte die Regierungschefin über Jahrestage, mal über Chancen zu Neuanfängen oder verriet, dass sie künftig mehr frische Luft atmen wolle.
Dieses Mal ist das ganz anders. So klare Worte wählt Merkel zum Ukraine-Konflikt und dem durch Krisen und Kriege verursachten Flüchtlingsstrom, dass man fast an eine Verwechslung des Manuskripts glaubt. Kein Pardon für Missachtungen des Völkerrechts, kein Zurückweichen vor dem Recht des Stärkeren im Falle Russlands. Und keine Relativierung, kein „man muss Verständnis haben, aber“ für die Pegida-Demonstranten. Vorurteile, Kälte, ja Hass attestiert Merkel den Islamgegnern.
Derart scharfe Worte hört man von der Meisterin des Ungefähren selten. Ganz gegen ihre nüchterne Art liefert sie eine Erklärung, weshalb Deutschland schon aus historischen Gründen die Verfolgten aufnehmen muss: Dass Kinder ohne Furcht groß werden können, sei ein Motiv der Montagsdemos in der DDR gewesen.
Lange hat Merkel geschwiegen. Dafür fällt ihre Botschaft nun umso deutlicher aus. In diesem Jahr lohnt es sich, an Silvester das Fernsehen einzuschalten.