Kreml-Kritiker in Berlin: Chodorkowski will nicht in die Politik
Der frühere Ölmilliardär Michail Chodorkowski hat ausgeschlossen, dass er den russischen Präsidenten Wladimir Putin politisch herausfordern werde. „Ich werde mich nicht politisch betätigen, wenn man darunter den Kampf um die Macht versteht“, sagte er am Sonntag vor Journalisten in Berlin. Auch eine Finanzierung der Opposition komme nicht mehr in Frage, schon weil ihm dafür heute die Mittel fehlten. Gleichzeitig kündigte er an, er wolle sich mit aller Kraft für die Freilassung der anderen politischen Gefangenen in Russland einsetzen. Dies sei er ihnen schuldig.
Chodorkowski war am Freitag nach zehn Jahren Haft von Putin begnadigt worden und noch am gleichen Tag nach Deutschland ausgereist. Sein Gnadengesuch sei kein Schuldeingeständnis, bekräftigte der Putin-Kritiker. Dies sei für ihn nie in Frage gekommen. Seine Bitte um Freilassung habe ausschließlich familiäre Gründe gehabt. Chodorkowski war als Hauptaktionär des Yukos-Konzerns zweimal in umstrittenen Verfahren wegen Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Öldiebstahls zu Lagerhaft verurteilt worden. Die russische Staatsanwaltschaft hatte ihm ein drittes Verfahren angedroht.
Seine Freilassung sei kein Symbol für Veränderungen in Russland, betonte Chodorkowski. „Sie ist jedoch ein Symbol dafür, dass die Anstrengungen der Zivilgesellschaft dazu führen können, dass politische Gefangene ihre Freiheit erlangen.“ Der Westen dürfe diejenigen nicht vergessen, die unschuldig in russischen Gefängnissen säßen.
Der Fall Yukos sei für ihn endgültig abgeschlossen, erklärte Chodorkowski weiter. Er werde nicht um seine Anteile an der Firma kämpfen, die in einer fragwürdigen Auktion vom Staatskonzern Rosneft übernommen worden waren. Seine finanzielle Situation sei so, dass er nicht mehr ins aktive Geschäftsleben einsteigen müsse, sagte der frühere Oligarch auf eine Frage. Es wird spekuliert, dass sich sein Vermögen noch immer auf einen dreistelligen Millionenbetrag beläuft.
Ausdrücklich dankte Chodorkowski noch einmal dem früheren deutschen Außenminister Hans-Dietrich Genscher und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ohne deren Anstrengungen wäre er jetzt nicht in Freiheit, sagte er. Genscher hatte in geheimen Verhandlungen, zu denen auch zwei Treffen mit Putin gehörten, die Freilassung Chodorkowskis erwirkt und ihn am Freitag in Berlin empfangen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte am Wochenende zu Spekulationen über die Entscheidung Putins für die Begnadigung: „Unabhängig davon, was die Motive waren, es sind gute Entscheidungen, die in Moskau in diesen Tagen gefallen sind.“
Chodorkowski wandte sich ausdrücklich gegen einen Boykott der olympischen Winterspiele in Sotschi. „Die Spiele sind ein Fest des Sportes für Millionen Menschen“, sagte er. „Dieses Fest sollte man den Menschen nicht verderben.“ Bundespräsident Joachim Gauck hatte kürzlich seine Reise nach Sotschi ohne Angabe von Gründen abgesagt.
Am Wochenende hatte sich Chodorkowski im Hotel „Adlon“ erstmals in Freiheit mit seinen Eltern und seinem ältesten Sohn getroffen. Eine rasche Rückkehr nach Russland schloss er aus. Da die Justizbehörden die Verfahren noch nicht formell abgeschlossen hätten, gebe es keine Garantie, dass er nach einer Einreise auch jederzeit wieder ausreisen könne, sagte Chodorkowski. Die Entscheidung, wo er künftig leben werde, treffe er gemeinsam mit seiner Familie.