Kritik am Entsorgen von Totgeburten als Sondermüll: Senatorin Hübner: Bestattungsgesetz muß überprüft werden
Gesundheitssenatorin Beate Hübner (CDU) will das Berliner Bestattungsgesetz reformieren. Damit reagierte die Politikerin auf die jetzt bekanntgewordenen Vorwürfe, daß jahrelang Tot- und Fehlgeburten mit anderen infektiösen organischen Klinikabfällen zunächst zu Granulat verarbeitet und dann in der Hausmüllverbrennungsanlage Ruhleben verbrannt worden sind. Die Schlacke wurde als Deponieabdeckung oder als Straßenbelag weiterverkauft. Hübner schwebt vor, daß die Fehl- und Totgeburten von den übrigen organischen Abfällen getrennt gesammelt und separat verbrannt werden. Die Asche könne auf einem Friedhof vergraben werden, was aber nicht einer Bestattung gleichkomme, sagte sie. Sie plädiert dafür, daß bei totgeborenen Kindern unter 1 000 Gramm auch künftig die Eltern entscheiden, ob das Kind bestattet wird. Eine Arbeitsgruppe soll die Gesetzreform vorbereiten. Nach geltendem Recht seien totgeborene Kinder unter 1 000 Gramm in Berlin nicht bestattungspflichtig, sagte die Gesundheitssenatorin. Sollten die Eltern ihr totes Kind nicht bestatten wollen, müßten die Föten in "ethisch einwandfreier Art und Weise entsorgt werden", zitierte Hübner aus dem Gesetz. Eine Bestattung sei für Eltern aus Kostengründen manchmal schwierig. Es gebe oft Streit mit dem Sozialamt wegen der Kostenübernahme. "Dann liegen die Frühchen schon mal bis zu einem Jahr im Kühlraum." In den vergangenen Jahren ist der organische Klinikabfall von der Sonderabfall-Entsorgungsgesellschaft KEG verarbeitet worden. "Das Verfahren ist allen bekannt gewesen", sagte der KEG-Geschäftsführer Stefan Drauschke. 1981 war das Procedere von der Umweltverwaltung genehmigt worden. Durch die Granulierung wurde aus dem Sondermüll der Klinik "hausmüllähnlicher Gewerbeabfall". Damit durfte das Material in Ruhleben und mußte nicht in einer teuren Sondermüllverbrennungsanlage entsorgt werden. Bis zu 1 500 Mark pro Tonne sei, so Drauschke, sein Verfahren günstiger. Inzwischen sei die Verbrennung von Sondermüll aber so preiswert geworden, daß die Klinikabfälle ohne Vorbehandlung in die Sondermüllverbrennung nach Schöneiche gefahren werden.Die Genehmigung der KEG beziehe sich auf die Entsorgung von "Körper- und Organabfällen", bestätigte Beate Stoffers, Sprecherin der Senatsumweltverwaltung. Daß darunter auch Tot- und Frühgeburten fallen können, sei offensichtlich nicht allen klar. Nach Darstellung des gesundheitspolitischen Sprechers der Grünen, Bernd Köppl, werden Tot- und Fehlgeburten als abgestorbene Leibesfrucht der Frau angesehen und den sonstigen Körper- und Gewebeteilen gleichgestellt, die bei Operationen anfallen. Nicht alle Berliner Kliniken lassen ihre Tot- und Fehlgeburten entsorgen. Die katholischen Krankenhäuser beerdigen seit Jahren die toten Kinder in einer eigenen Grabstätte. Zwei- bis dreimal im Jahr findet eine Bestattung der Totgeburten des St.-Gertrauden-Krankenhauses auf dem katholischen Friedhof der St.-Matthias-Gemeinde statt. Die Caritas Kliniken Pankow haben sich dafür den St.-Hedwigs-Friedhof ausgewählt. Die Gesellschaft für Pathologie fordert, daß totgeborene Kinder unabhängig vom Gewicht beerdigt werden. Die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg verlangt eine öffentliche Diskussion über den Umgang mit Tod und Leid. Menschen dürften nicht mit Materialien verwechselt werden.