Künstler entfernten am Sonnabend in der Weimarer Ausstellung "Aufstieg und Fall der Moderne" demonstrativ ihre Bilder: Handgreiflicher Bilderstreit

Das waren noch Zeiten, als Kunsthistoriker und Künstler mit Argumenten gegeneinander fochten. Wie weit muß Achim Preiß, Kurator des DDR-Kunstteils der Weimarerer Ausstellung "Aufstieg und Fall der Moderne", ins Aus getrudelt sein, daß er vor gezielten Handgreiflichkeiten nicht zurückschreckt. Er hat sich mit der Künstler und Kunst diffamierenden Inszenierung des DDR-Bereiches seiner Weimarer Fieberphantasien des Tatbestandes "vorsätzlicher Geistesabwesenheit" schuldig gemacht. Als ihn die Maler Ralf Kerbach und Reinhard Stangl, zwei einstige DDR-Künstler, die in den Westen gegangen waren, am vergangenen Sonnabend nachmittag zum Rededuell auffordern wollten in Notwehr sozusagen setzte er die Fäuste ein, um Minuten später sein Heil in der Flucht zu suchen. Der große Zampano, der ach so besorgt ist um gute Umgangsformen, spielt die beleidigte Leberwurst. Er hat für sein skandalöses Großprojekt weder inhaltliche noch museumstechnische Mindeststandards zu halten gewußt und wundert sich jetzt, daß die ersten Künstler ihre Bilder abziehen.Gut eine halbe Stunde bevor Königin Beatrix der Niederlande durch die Ausstellung geführt werden sollte, hatten Kerbach und Stangl die Hängeschnüre gekappt, gegenüber einem Reporterteam des MDR auf die klimatisch völlig ungenügenden Ausstellungsbedingungen aufmerksam gemacht und die Bilder aus der Show genommen. Daß Stangls Arbeit in diese Ausstellung gepreßt wurde, ist bitter, handelt es sich doch um ein Schicksalsbild, das 1981 in einem Waldversteck in der CSSR entstanden war. Stangl, bereits aus der DDR augebürgert, traf dort seinen Künstlerfreund Hans Scheib. Bereits in seinem Brief vom 27. Mai an die Kunstsammlungen zu Weimar bat Stangl um die "sofortige Entfernung und Sicherung des auf Pappe gemalten Bildes" mit dem Titel "Doppelporträt (Scheib malt Stangl, Stangl malt Scheib)". Das Museum hielt es dennoch nicht für nötig, seiner Sorgfaltspflicht nachzukommen.Während der handstreichartig durchgeführten Aktion am Sonnabend sahen die Künstler sich plötzlich einer ungeahnten Welle der Solidarität auch des Personals gegenüber. Beklagt wurde, daß die Museumsleitung es seit Tagen meide, die Ausstellung zu betreten, aus Angst vor protestierenden Besuchern, die in Ermangelung kompetenter Diskussionspartner ihrem Ärger nun gegenüber dem Bewachungspersonal Luft machten. Am Telefon kleinlaut, ließ die Direktion der Weimarer Kunstsammlungen die Künstler gewähren und bestand im Fall Stangl, der auch Leihgeber seines Bildes ist, nicht auf Herausgabe desselben.Gut ein Dutzend Künstler hat bisher Schritte zur Entfernung bzw. Zurückholung ihrer Werke unternommen. Was nie zusammengehört hat, auch durch die pseudotheoretische Äquilibristik der Verantwortlichen nicht neu zusammengeflickt werden kann, zeigt sich in Weimar unübersehbar als Falle kuratorischer Hybris. Auch mit der angekündigten "behutsamen Korrektur" wird der Schaden nicht wiedergutzumachen sein. Einmal mehr wird deutlich, daß kontroverse Standpunkte nicht diskutiert werden können, so lange museumsmächtige Besserwisser DDR-Geschichte lediglich depotweise vermessen. Preiß, der, vollkommen überfordert von der entstandenen Situation, eine neue ostdeutsche Einheitsfront von Spielverderbern fürchtet, wäre eine Auszeit zum Nachdenken zu wünschen.