Nicolás Jaar gilt als Wunderkind der elektronischen Musik. Sein Debütalbum „Space Is Only Noise“ verzückte 2011 nicht nur etliche Kritiker, sondern belegte neben den Charts auch zahlreiche Deep-House-Floors mit einem jazzigen Electronica, über dem eine anzügliche Männerstimme schwang. Der damals 21-jährige New Yorker mit chilenischen Wurzeln mixte Stile und Geräusche – zudem sang er wie ein junger Gott und sah auch so aus! Klar, dass dieser Musiker nicht nur in seiner Szene wahrgenommen wurde.
In Bezug auf weitere Veröffentlichungen verlief die Aufmerksamkeit jedoch eher wellenartig. Was sich darauf zurückführen lässt, dass Jaar eben nicht nur mixt, sondern viel mehr frickelt – und er das von Album zu Album unterschiedlich auslebt. Wo in einem Moment noch ein pochender Industrial-Sound zu hören war, der die ideale Hintergrundkulisse für einen Maschinenraum geboten hätte, war im nächsten Stück nur ein Rauschen, ein Klackern, ein Wabern – und dann kam wieder ein leichtes Klimpern und ein schwebender House-Beat ins Spiel, der zu einem ausgelassenen Sommerrave im Park gepasst hätte. Das war dann für die meisten Hörer wohl doch ein wenig zu experimentell ...
Das Album „Telas“ hat nur vier Tracks
Ähnlich könnte ihm das auch mit seinem neuen Werk „Telas“ ergehen. Nur Ambient-Fans und Electro-Avantgardisten werden sich diesmal freuen. Denn während es auf den Vorgängerplatten etwa noch den tollen Gesang Jaars und teilweise einen House-Besuch gab, ist es auf „Telas“ ziemlich ruhig geworden. Zwischen dem experimentellen Gefrickel ist jetzt noch ein Flüstern zu hören: „Nada lo que veo nada lo que soy nada en lo que es ser nada en la nada lo que doy“ - was übersetzt bedeutet: Nichts, was ich sehe, nichts, was ich bin. Nichts, von dem, was ist, nichts im Nichts ...
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Dass Jaar einen Hang zur Philosophie hat, ist bekannt. Doch auf vier Tracks, die jeweils 16 Minuten lang sind, ist es ein neues Maß an Freiheit. Musikalisch gesehen genießt er dies ebenfalls: Surreale, streuende Komposition, wie auch widersprüchliche Klänge erinnern an eine weite Landschaft. Es pfeift, zieht. Zwischen Sandhügeln und weißen Flächen gibt es viel Platz für freies Denken und sonst nichts.
Man muss die neuen Tracks allerdings am Stück hören und sich Zeit nehmen, um Jaar folgen zu können. Das macht es dann aber umso eindringlicher. Denn es ist zwar nicht sein hippstes Werk, aber sein avantgardistisches – das von Mal zu Mal besser wird.
Nicolás Jaar - „Telas“ (Other People)